Morgenglosse

Pflegekräftemangel: Vielleicht ist es an der Zeit, ausgetretene Pfade zu verlassen

Clemens Fabry
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Der Personalmangel in der Pflege wird immer noch unterschätzt. Systemsprengende Ideen gehören ernsthaft diskutiert.

Ja, Primararzt Reinhold Kerbls Konzept ist unausgegoren und beinhaltet zahlreiche offene Punkte. Interessenten an einem Medizinstudium dazu zu verpflichten, ein einjähriges Pflegepraktikum in einem Krankenhaus zu absolvieren, um in Berührung mit dem Spitalsalltag zu kommen und Pflegekräften unter die Arme zu greifen, setzt nicht nur die Zustimmung von mindestens zwei Ministerien, der Länder, Sozialversicherungen und Ärztekammer voraus, sondern wäre auch mit einer weitreichenden Neustrukturierung des Studiums verbunden. Zudem stellt sich die Frage, welche Betreuer der Praktikanten nach welchen Kriterien über ihre Eignung für das Studium entscheiden.

Für Kerbls Vorstoß spricht aber die Notwendigkeit, ganz neue Optionen in Erwägung zu ziehen, um gegen den Pflegekräftemangel anzukämpfen. Gehälter zu erhöhen, Kompetenzen zu erweitern, Aus- und Fortbildungen zu subventionieren und eine zusätzliche Urlaubswoche zu spendieren sind keine nutzlosen Maßnahmen, werden aber nicht ausreichen, um das Problem zu lösen. Weder kurz- noch langfristig.

Abgesehen davon ist mit den jetzigen Aufnahmetests für 12.000 Bewerber, von denen 1800 genommen werden, kaum jemand glücklich. Dieses Modell anzupassen und dabei auch noch Spitäler zu entlasten ist also kein absurder Gedanke.

Denkverbote darf es nicht geben, heißt eine beliebte Phrase in der Politik. In diesem Fall ist sie sogar passend. Ideen wie die von Kerbl sollten daher nicht im Keim erstickt werden, weil ihre Umsetzung einen Kraftakt erfordern würde, sondern gehören ernstgenommen breit diskutiert – damit zumindest Teile davon verwirklicht werden und vielleicht auch als Inspiration für andere Vorschläge dienen.

E-Mail:koeksal.baltaci@diepresse.com

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