„Wer sagt, es ist Zensur, der redet nur Blabla“

Szalay-Bobrovniczky: „Wer sagt, es ist Zensur, der redet nur Blabla“
Szalay-Bobrovniczky: „Wer sagt, es ist Zensur, der redet nur Blabla“(c) Die Presse (János A. Feherváry)
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Ungarns Botschafter in Wien, Vince Szalay-Bobrovniczky, verteidigt im "Presse"-Interview das international umstrittene Mediengesetz. Die EU-Roma-Politik kritisiert er: „Es gibt keine europäische Roma-Politik“

Die Presse: Was sagen Sie zum höchst umstrittenen ungarischen Mediengesetz? Die Wogen gehen deshalb in der Union zurzeit hoch.
Vince Szalay-Bobrovniczky:
Dieses Gesetz stellt die Rechte der öffentlich-rechtlichen Medien wieder her. Seit dem Jahr 1995 gab es bei uns ein sehr schlechtes Mediengesetz. Es hat den Markt gar nicht geregelt, es hat die privaten Medien über alle Maßen bevorzugt. Das Hauptziel des neuen Gesetzes ist die Herstellung des Renommees der öffentlich-rechtlichen Medien. Die Rechte der Zuschauer werden mit dem Gesetz gestärkt - außerdem wird der Kinder- und Jugendschutz damit geregelt. Wer sagt, es handelt sich bei dem Gesetz um eine Zensur, der redet nur Blabla.

Kritik wird vor allem daran geübt, dass die Vorsitzende der neuen Medienbehörde für neun Jahre bestellt ist ...
Auch ein Verfassungsrichter wird auf neun Jahre gewählt, der Präsident des Rechnungshofes wird auf zwölf Jahre gewählt. In Österreich passiert das ähnlich. Im Gesetz ist nichts, was in anderen europäischen Staaten nicht vorzufinden wäre. Kritik prasselt überhaupt auf die Regierung von allen Seiten, damit muss man leben.

Ungarn wird aufgrund des Mediengesetzes mit Weißrussland verglichen.
Nein, das lasse ich so nicht gelten! In Weißrussland werden Bürger und Politiker zusammengeschlagen oder verhaftet - das passierte zuletzt ansatzweise in Ungarn, aber im Jahr 2006.


Ungarische EU-Ratspräsidentschaft: Ihre Regierung hat damit aufhorchen lassen, dass sie die sogenannte Roma-Problematik in Europa lösen will ...
Wir haben die beste Ausgangslage zur Lösung der europäischen Roma-Problematik. Wir haben die meiste Erfahrung damit, ein nicht unbeachtlicher Teil unserer Bevölkerung hat Roma-Abstammung. In Ungarn haben wir in der neuen Regierung somit ein eigenes Staatssekretariat dafür gegründet. Wir hoffen, bei diesem Thema mit unserer Erfahrung zu einer Lösung beitragen zu können. Ich persönlich sehe den Schlüssel zur Lösung der Herausforderung in der Bildung. Aber es braucht auch den Willen der Roma, dieses Angebot anzunehmen.

Ein halbes Jahr ist sehr kurz, um europäische Lösungen zu erreichen. Welche Ergebnisse erwarten Sie sich?
Wir wollen mit kleinen aber merkbaren Schritten vorangehen. Wenn die Roma-Problematik in Europa mehr bewusst wird, dann erachten wir das schon als Erfolg. Natürlich werden unsere Bemühungen nicht mit dem Ende der ungarischen Ratspräsidentschaft enden. Nicht nur auf europäischer Ebene aber auch intern müssen wir eine Lösung finden.

Was läuft denn derzeit falsch in der europäischen Roma-Politik? Die EU-Kommission kritisiert die unzureichend Roma-Integration in Ungarn.
Es gibt keine einheitliche europäische Roma-Politik. Jeder Staat macht seine eigene Roma-politik, so ist es schwierig voranzukommen. Wir haben in Ungarn auch noch viel zu tun - das geht aber nicht von heute auf morgen.

Von der EU wurde dafür bereits viel Geld ausgegeben.
Ja, es wird viel Geld dafür ausgegeben, aber die zur Verfügung stehenden Mittel müssen effizienter eingesetzt werden. Wir wollen das ändern. Ich begrüße es, dass die Debatte losgetreten wurde - bisher hatten wir nur ganz wenig Aufmerksamkeit für dieses Problem.

Soll es einen Roma-EU-Kommissar geben?
Verschiedene Möglichkeiten können vorgestellt werden. Es gibt etwa Ideen dafür, einen Kommissar für Minderheiten einzurichten - ein solcher Kommissar könnte auch die Rechte der Roma vertreten.

Wie soll Europa Ungarn nach der Präsidentschaft sehen?
Europa soll Ungarn so sehen wie es ist - durchaus mit Kritik. Wir sind offen für konstruktive Kritik, genau so wie andere Länder auch. Wir wollen das nächste halbe Jahr dafür nutzen, das wir unser Gesicht mehr zeigen. Wir werden die Präsidentschaft gut über die Bühne bringen und tun alles dafür, dass es ein Erfolg wird.

Sind die Ungarn in Österreich ausreichend integriert?
Es gibt eine große und gut funktionierende ungarische Gemeinde in Österreich - sie ist eine der größten in Westeuropa. Die Ungarn sind von allen Nachbarländern Ungarns in Österreich am besten integriert. Botschafter in Österreich ist eines der schönsten Ämter, die es für Diplomaten gibt - aus ersichtlichen Gründen.

In den vergangenen Jahren gab es zwischen Ungarn und Österreich erkennbare atmosphärische Störungen ...
Ja, es gibt in wenigen Angelegenheiten Meinungsverschiedenheiten mit Österreich. Meine Aufgabe wird es sein Kompromisse zu finden, wie zum Beispiel wegen der umstrittenen Müllverbrennungsanlage – in dieser Angelegenheit laufen aber noch Gerichtsverfahren. Atmosphärische Störungen gibt's zwischen Nachbarn immer, trotzdem ist festzuhalten, dass die Beziehungen unserer Länder ausgezeichnet sind.

Wieviele Anträge auf Doppelstaatsbürgerschaft gibt es aus Österreich?
Ich halte es für wichtig festzustellen, daß zwar in der Umgangssprache der Ausdruck „doppelte Staatsbürgerschaft” bekannt wurde, in der Tat handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren der Einbürgerung beziehungsweise der Zurückeinbürgerung.

Jetzt eine Zahl zu nennen ist noch verfrüht. Meines Wissens meldeten sich bisher in erster Linie Personen, die eine ungarische Abstammung und zurzeit eine rumänische oder serbische Staatsbürgerschaft haben. Die Ungarn, die eine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind sich darüber im Klaren, wie die österreichische Rechtslage ist. Österreichische Staatsbürger würden ihre Staatsbürgerschaft in der Regel verlieren, sobald sie eine andere Staatsbürgerschaft beantragen.

Finden Sie das schade?
Ich bin nicht hier um die österreichischen Gesetze zu kritisieren. In Ungarn wurde dieses mit dem vereinfachten Verfahren der Einbürgerung verbundene Gesetz verabschiedet, um die Diskriminierung der Auslandsungarn zu beenden. Aber das Gesetz gilt für alle Ungarisch-Stämmigen.

In Österreich besteht ja diese Diskriminierung fort. Werden Sie diesbezüglich aktiv werden?
Nein, wir werden keinen Druck auf Österreich ausüben. Wir können damit leben. Auch die beiden Außenminister haben diese Frage mehrmals angesprochen - es stellt kein Problem dar.

Dieses Gesetz ist also nur symbolisch zu verstehen?
Wer seit Jahrzehnten seine ungarische Traditionen pflegte, soll Anspruch auf die ungarische Staatsbürgerschaft haben.Das ungarische Gesetz ist im Einklang mit dem europäischen und dem Völkerrecht. Nach dem für Ungarn schmerzhaften Vertrag von Trianon im Jahr 1920 ist das natürlich auch ein emotionaler Akt. Vor allem aus Rumänien gibt es die meisten Anfragen, wo das ungarische Gesetz auf die wenigsten Probleme stößt.

Ungarns Botschafter in Wien, Vince Szalay-Bobrovniczky
Ungarns Botschafter in Wien, Vince Szalay-Bobrovniczky(c) Die Presse (János A. Feherváry)

Zur Person

Die ungarische Botschaft in Wien gehört zu den größten weltweit. Ist so eine große Botschaft angesichts des Spardrucks ihrer Regierung überhaupt notwendig?
Verglichen mit den Botschaften anderer Länder ist unsere Botschaft vom Personal her klein. Wir haben das Botschaftspersonal im Sommer aufgrund des Spardrucks deutlich reduzieren müssen. Politische Umfärbung hat es in der Botschaft keine gegeben. Unsere neu gewählte Regierung hatte es in den ersten Monaten nach der Übernahme nicht leicht - wir haben hohe Schulden vorgefunden. Da war es notwendig, auch bei uns in der Botschaft zu sparen.




Vince Szalay-Bobrovniczky ist seit Anfang Dezember ungarischer Botschafter in Wien. Der 38-jährige gebürtige Budapester studierte Geschichte, ist verheiratet und hat vier Kinder.

Er gilt als Karriere-Diplomat und als Vertrauter des ungarischen Premiers Viktor Orbán. Parteimitglied in der Regierungspartei Fidesz ist er jedoch nicht. Bevor er nach Wien bestellt wurde, war er vier Jahre lang Konsul in München.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27. Dezember 2010)

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