Angst in Rom nach Paketbombenserie

Angst nach Paketbombenserie
Angst nach Paketbombenserie(c) AP (Angelo Carconi)
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In der italienischen Hauptstadt explodierten Sprengsätze in den Botschaften von Chile und der Schweiz. Es gab zwei Schwerverletzte. Die Polizei verdächtigt Anarchisten.

Rom. Die Via Barnaba Oriani im großbürgerlichen Römer Stadtteil Parioli ist normalerweise eine ruhige Adresse. Gestern aber herrschte dort helle Aufregung: In der Schweizer Botschaft, in dem feudalen Anwesen, in dem auch der Botschafter residiert, detonierte gegen Mittag eine Paketbombe.

Der Portier, der das Paket geöffnet hatte, wurde schwer verletzt und sofort in ein Krankenhaus eingeliefert. Der 53-Jährige schwebte zwar nicht in Lebensgefahr, möglicherweise muss aber der linke Arm oder zumindest die linke Hand amputiert werden. Am anderen Arm erlitt der Mann schwere Brandwunden.

Terrorspur nach Griechenland?

Carabinieri und Polizei sperrten das Gelände ab und nahmen Ermittlungen auf. Die Hintergründe der Tat waren zunächst unklar. Römische Ermittler verdächtigten griechische Anarchisten.

Auch das Schweizer Konsulat in Mailand wurde sofort unter strenge Bewachung gestellt. Weder die Botschaft noch das Außenministerium in Bern wollte sich zunächst zu dem Vorfall äußern. Die Sendung sei an die Botschaft adressiert gewesen, hieß es, ein Bekennerschreiben aber liege nicht vor.

Eine These lautet, dass die Täter aus anarchistischen Kreisen stammen könnten, die sich dafür rächen wollen, dass mehrere italienische Mitglieder der Szene in der Schweiz in Haft sitzen. Bereits Anfang Oktober war vor der Botschaft ein Sprengsatz gefunden worden. In einem beiliegenden Brief wurde die Freilassung von drei Aktivisten gefordert. Der bekannteste der Inhaftierten ist der aus Graubünden stammende militante Atomkraftgegner Marco Camenisch, der beste Beziehungen zur linksextremen Szene in Italien hat und in Regensdorf bei Zürich in Haft sitzt.

Gegen diese These spricht aber, dass wenige Stunden später eine zweite Briefbombe explodierte, dieses Mal in der chilenischen Botschaft in der Nähe des Parks Villa Borghese. Auch dort wurde ein Mitarbeiter beim Öffnen der Sendung verletzt, allerdings nur leicht. Ein weiteres verdächtiges Paket wurde kurz darauf in der ukrainischen Botschaft untersucht. Auch in der österreichischen Botschaft wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.

Frattini verurteilt Anschläge

In Rom machte sich wegen der Paketbomben zwei Tage vor Weihnachten Krisenstimmung breit. Wie es aus Polizeikreisen hieß, werde in alle Richtungen ermittelt. Italiens Außenminister Franco Frattini verurteilte den Anschlag auf die Schweizer Botschaft als „beklagenswerten Akt der Gewalt“. Dem Opfer und Botschafter Bernardino Regazzoni bekundete er seine Solidarität.

In allen Schweizer Botschaften herrscht erhöhte Alarmbereitschaft, seitdem im November in der Athener Vertretung eine Briefbombe explodiert ist. Sie und weitere per Post versandte Sprengsätze wurden griechischen Linksextremisten zugerechnet, die damit gegen die rigiden Sparmaßnahmen der Regierung protestieren wollten. Auch im Bundeskanzleramt in Berlin ging damals ein Sprengsatz ein. In der deutschen Botschaft in Rom wird jedes eingehende Paket genau untersucht, ehe es geöffnet werden darf.

Erst am Dienstag hatte ein in einem abgestellten U-Bahn-Waggon versteckter Sprengsatz die Stadt in Alarmbereitschaft versetzt. Der Sprengsatz erwies sich jedoch als harmlos und hätte auch nicht detonieren können.

Spannungen nehmen zu

Der Bürgermeister der italienischen Hauptstadt, der ehemalige Neofaschist Gianni Alemanno, hat sofort linke Studentenkreise verantwortlich gemacht, die seit Wochen gegen die Hochschulreform der Regierung demonstrieren. Einige hundert Autonome hatten am 14.Dezember, dem Tag, an dem sich Ministerpräsident Silvio Berlusconi mehreren Vertrauensabstimmungen stellen musste, in der Innenstadt von Rom schwere Verwüstungen angerichtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2010)

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