Expertenhearing

Bei Budget „nicht in falscher Sicherheit wiegen“

Der berüchtigte Budgetziegel: 3700 Seiten und mehr als elf Kiloframm schwer
Der berüchtigte Budgetziegel: 3700 Seiten und mehr als elf Kiloframm schwer(c) IMAGO/SEPA.Media (IMAGO/Martin Juen)
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Wirtschaftsexperten haben im Budgetausschuss den Staatshaushalt beurteilt – durchwegs mit mahnenden Worten.

Wien. Üblicherweise haben die Expertenhearings des Budgetausschusses, die traditionell vor Beginn der Ausschussberatungen stattfinden, eine leichte Schlagseite: Jeder Experte tendiert dazu, die Meinung jener Partei zu vertreten, von der er nominiert wurde. Lobende Worte also von Experten, die von den Regierungsparteien vorgeschlagen wurden, sehr kritische Worte von jenen, die von der Opposition kommen.

Beim Hearing am Freitag fanden freilich alle fünf Experten mahnende Worte. Beispielsweise auch jener Mann, den die ÖVP als Experten nominiert hat – Christoph Badelt, einst Chef des Wifo, aktuell Präsident des Fiskalrats. Man dürfe sich beim Budget angesichts der relativen guten Defizit- und Schuldenquoten „nicht in falscher Sicherheit wiegen“, warnte er. Denn die Zahlen, beispielsweise die sinkende Schuldenquote, seien der steigenden Inflation zu verdanken. Badelt sprach von einem „trügerischen Charakter“ des Budgets und fordert mehr fiskalische Nachhaltigkeit ein.

Es gebe eine Reihe von Maßnahmen im Budgetvoranschlag für 2023 und im Finanzrahmen, die künftige Budgets belasten und deren Erstellung erschweren könne, weil der Staat weniger finanzielle Spielräume habe. Die Maßnahmen gegen die Teuerung halte er in der aktuellen Situation für „absolut gerechtfertigt“, es werde aber mittelfristig notwendig sein, das Budget wieder zu konsolidieren.

Aufhorchen ließ der Chef der Staatsschuldenwächter später in der Diskussion, als er mit Hinblick auf die Maastricht-Kriterien meinte, es sei fraglich, ob „ab 2024 alles so heiß gegessen wird“ (dann sollen die Kriterien wieder gelten). Und weiter: „Mir machen die europäischen Stabilitätskriterien weniger Sorgen als die eigene fiskalischen Nachhaltigkeit.“ Ein Satz, an den Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), so er ihn beim Expertenhearing registriert hat, den Fiskalratschef bei der nächsten Diskussion über die Fiskalregeln zweifellos erinnern wird.

Zweithöchste Hilfen der EU

Auch die Expertin der zweiten Regierungsfraktion, der Grünen, Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller, fand Defizite im Voranschlag. Etwa ausgerechnet beim Klimaschutz, wo es zwar grundsätzlich gute Ansätze gebe, die Mittel aber noch zu gering seien. Wie Badelt auch mahnte Schratzenstaller, die Regierung dürfe die fiskalische Nachhaltigkeit nicht aus den Augen verlieren. Dass einige Maßnahmen „auf Dauer nicht leistbar“ seien, führte sie in der Fragerunde aus: Österreich habe das zweithöchste Entlastungspaket der EU beschlossen, es würden etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2021 bewegt. Das sei grundsätzlich zwar lobenswert, allerdings würden zwei Drittel der Maßnahmen unabhängig vom Einkommen gelten und seien damit „nicht zielgerichtet“.

Das bemängelte – in diesem Fall: naturgemäß – auch Markus Marterbauer, Chefökonom der Arbeiterkammer. Er fand deutliche Worte für die Mängel im Budget: So mache die Regierung beim Klimaschutz viel zu wenig. Zum ersten Mal sinke zwar wieder der CO2-Ausstoß, aber in viel zu geringem Umfang. Man werde deshalb die Klimaziele verfehlen, was den Staat aufgrund der Strafzahlungen teuer kommen werde.

Bei den „stark gestiegenen“ Subventionen bemängelte der AK-Chefökonom das Fehlen von „klaren Zielen“, die Mittel unter anderem für die internationale Hilfe bezeichnete er als „peinlich niedrig“. Man sollte diese laut Marterbauer zumindest in dem Umfang erhöhen, in dem man auch das Budget für das Militär erhöht habe. „Sträflich vernachlässigt“ habe man im Budget 2023 beispielsweise auch den Bereich Bildung.

Wie ein Ceterum censeo kam von Marterbauer der Ruf nach einer Erbschafts- und einer Vermögensteuer und die Forderung nach einer „vollständigen Abschöpfung“ der Zufallsgewinne der Energieversorger.

Mittelstand stark betroffen

Am schärfsten ging Martin Grundinger mit der Budgetpolitik der Koalition ins Gericht. Der Experte vom Austrian-Economics-Forum wies auf die um 46 Prozent gestiegenen Ausgaben hin (im Vergleich zu 2019) und warnte vor einem Kollaps der Wirtschaft „begraben unter einer Geldlawine“.

Denn mit diesen hohen Ausgaben heize die Regierung die Inflation weiter an. Man müsse die Ausgaben so gering wie möglich halten und nur jenen Menschen finanziell helfen, deren Existenz bedroht sei. Grundinger, von der FPÖ nominiert, bezeichnete das Budget als „nicht wirklich vernünftig“ und forderte die Mitglieder des Budgetausschusses auf, es bei den Beratungen zu überarbeiten.

Die Chefin von Eco Austria, Monika Köppl-Turyna, warf einen pragmatischen und erschreckenden Blick in die Zukunft. Die Ausgaben für Gesundheit, Pflege und Pensionen würden weiter steigen – und zwar auf 25 Prozent des BIPs. Sie forderte daher – wie übrigens alle anderen Experten auch – tiefgreifende Reformen ein.

Ernüchternd war die Bilanz Köppl-Turynas zur Steuerpolitik. Die Belastungen würden nämlich primär den Mittelstand treffen. Die Folge: „Mit Arbeit Eigentum aufzubauen ist in diesem Land fast unmöglich.“

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