Ausstellungen

Neue Kunsthallen in der Peripherie

Louise Deininger vor ihren Bildern und Skulpturen in der neuen Floridsdorfer Kunsthalle.
Louise Deininger vor ihren Bildern und Skulpturen in der neuen Floridsdorfer Kunsthalle. Theresa Wey
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In einer alten Strickmaschinenfabrik in Floridsdorf und einem verlassenen Autohaus in St. Marx – zwei neue Initiativen bringen zeitgenössische Kunst in die Bezirke.

Damit hat man nicht gerechnet, wie ein riesiger Stalagmit ragt plötzlich ein weißer, spitzer Turm vor einem auf – ein Minarett? Nein, der Campanile der Pfarre Gartenstadt in Floridsdorf, gebaut von Alfons Leitl Anfang der Sechzigerjahre. Sieht man ihn, hat man sein für Wiener Kunstfreunde selten fernes Ziel praktisch erreicht: Ums Eck eröffnete unlängst das „Floridsdorf Museum of Young & Contemporary Art“, kurz und herzig „Flomyca“ genannt.

Durch ein Gittertor gelangt man in die alte Strickmaschinenfabrik, in industriellen Ruinen-Charme à la Berlin. Die erste Gruppenausstellung, zusammengestellt von Paula Marschalek, ist eine bunte Mischung konzeptueller Künstler, die aus vielen Ecken der Welt in Wien gelandet sind: Francesca Aldegani etwa, die ein rostbraunes Stroffrechteck zeigt – es soll an den ersten Grenzzaun USA/Mexiko erinnern. Die Italienerin nahm davon korrodierte Eisenteile, die sie in dem Stoffstück zermalmte – der Staub durchwirkte die Fasern durch und durch. Oder Derek Roberts, der Regale mit erfundenen Büchern malt: Alles Titel, die sich auf die Auseinandersetzung des in Wien lebenden US-Amerikaners mit dem Schwarzsein, seiner ihm unbekannten Herkunftsgeschichte beziehen.

Auch Louise Deininger hat Wurzeln in Afrika, wuchs in Uganda, Kenia und England auf, bevor sie nach Wien siedelte: Hier arbeitet sie mit Elefantendung aus Schönbrunn, den sie zu kultisch wirkenden Objekten formt. In ihm ein Paar goldene Winterstiefel festzementiert – wie ein Voodoo-Pendant zu Dorothys roten Schuhen im „Zauberer von Oz“? Deininger und ihr Mann Raimund, „Artware“-Kunsthändler, haben diesen Ort entwickelt. Neben dem Atelier von Louise Deininger sind auch die anderen hier Ausgestellten angesiedelt. Das als „Museum“ zu bezeichnen, ist schlicht falsch. Private Kunsthalle träfe es besser. Trotzdem – jeder Kunstort fern des Zentrums ist für Wien ein massiver, wenn auch schwierig zu haltender Gewinn.

So auch der Neue Wiener Kunstverein an einem anderen Ende Wiens, das sonst nur einmal im Jahr, einst bei der Viennacontemporary, nun bei der Spark Art Fair in der Zielliste der Kunst-Navigatoren aufscheint: St. Marx. Genau auf der anderen Straßenseite von Günther Domenigs T-Center bespielt der vazierende private Kunstverein derzeit ein weitläufiges ehemaliges Autohaus. Mit eklektischer Bodenverfliesung und luxuriösen Schaufensterflächen. „The devil to pay in the backlands“ heißt die aktuelle Gruppenschau, kuratiert von Künstlerin Ursula Mayer und dem brasilianischen Theoretiker Bernardo José de Souza. Daher wohl auch die Titelanleihe beim 1956 erschienenen Klassiker von João Guimarães Rosa, einer Art lateinamerikanischer Faust-Version. Jedenfalls dystopisch bis unheimlich, einen möglichen Teufelspakt andeutend. Wie die gezeigte Kunst – von der katzenhaften Samthand, die Anna Franceschini maschinell ihre Spuren im Staub ziehen lässt. Oder die schrumpeligen Männchen, die Cristiano Lenhardt am Boden arrangiert hat – sind sie aus Lehm? Nein, eher aus einer Wurzelart.

„Lebt und arbeitet in Wien“ – es geht ab!

Abgebaut wurde dagegen in der ehemaligen Autowerkstatt nebenan gerade eine schöne Überblicksausstellung zur Wiener Skulptur, kuratiert von Ex-Secessionspräsident Herwig Kempinger und Vereins-Herrin Kasia Matt-Uszynska. „Hier und Jetzt“ heißt die Schau, die weiterzieht in den Kunstraum Dornbirn, ebenfalls früher Montagehalle. Teil zwei dieser Version der legendären Wiener Szene-Befragung „Lebt und Arbeitet in Wien“ in der Wiener Kunsthalle – es geht ab! – soll folgen. Auch fast eine Hommage – an den Mann der Kunstvereins-Leiterin, Gerald Matt, einst Kunsthalle-Wien-Direktor.

Neuer Kunstverein Wien, Rennweg 110−116, bis 12. 11., Di, Mi 11−14h, Do, Fr 15−18h.

Flomyca, bis 25. 11., Morsegasse 1c, Mi−Fr 15−19h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2022)

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