Mein Montag

Den Faden verloren bei fadenscheinigen Ausreden

Jetzt nur nicht den Faden verlieren.
Jetzt nur nicht den Faden verlieren.APA/AFP/PATRICK HERTZOG
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Begriffe aus der Welt der Textilien ziehen sich wie ein roter Faden durch unsere Redewendungen.

Eigentlich logisch, denkt man sich im Nachhinein. Und trotzdem kam es wie ein Blitz der Erkenntnis, als die Freundin ein stark abgenutztes Kleidungsstück als fadenscheinig bezeichnete. Wenn man diesen Begriff vor allem von nicht glaubhaften oder leicht zu durchschauenden Ausreden kennt, denkt man vielleicht nicht unbedingt daran, dass das eine übertragene Bedeutung ist. Und dass der Ursprung eigentlich in der Welt der Textilien liegt. Wobei der Faden ja recht häufig in Redewendungen auftaucht, die mit Kleidung gar nichts zu tun haben. Sie wissen schon, dass etwa etwas am seidenen Faden hängt. Das passt zur Erzählung vom Damoklesschwert, das nur an einem Faden über einem befestigt ist. Aber auch zur vielfach verbreiteten Vorstellung des Lebensfadens, den die Schicksalsgöttinnen jederzeit abschneiden können. Bekannt ist auch, dass man den Faden verliert, wenn man beim Reden plötzlich nicht mehr weiter weiß. So wie auch, dass man nach einer solchen Unterbrechung den Faden wieder aufnimmt. Denken Sie in so einem Fall an textile Arbeiten?

Der rote Faden, der sich durch eine Handlung zieht, geht wiederum auf Goethe zurück. Er bezieht sich in seinen „Wahlverwandtschaften“ auf einen Brauch der königlich-britischen Flotte, wonach sich durch sämtliche Tauwerke ein roter Faden zieht, den man nicht entfernen kann, ohne alles aufzulösen. Damit, so die Erklärung, sollte auch bei den kleinsten Stücken erkennbar sein, dass sie der Krone gehören. Aus dem Weberhandwerk stammt wiederum die Formulierung „nach Strich und Faden“. Gemeint war damit, dass der Meister das Meisterstück des Gesellen genau prüft. Heute wird die Redewendung meist negativ verwendet, etwa „nach Strich und Faden betrügen“. Und wenn das Stück nicht gut genug war? Dann ließ der Meister keinen guten Faden daran. Spannend, nicht? Oder ist ihnen schon fad?

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2022)

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