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Vorstoß der Wiener SPÖ: Einfachere Einbürgerung?

Hohe finanzielle Hürden für einen österreichischen Reisepass.
Hohe finanzielle Hürden für einen österreichischen Reisepass.Clemens Fabry
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Die Wiener SPÖ will die Einkommensgrenzen senken. Die Staatsbürgerschaft müsse auch Menschen im Niedriglohnsektor offen stehen.

Wien. Wahlen gewinnen wird die SPÖ mit dem Thema keine, sie hält es aber trotzdem am köcheln: Nach der Bundes-SPÖ im Vorjahr und der Wiener Arbeiterkammer im Frühjahr unternimmt nun auch die Wiener SPÖ einen Vorstoß für eine Erleichterung bei der Erlangung der Staatsbürgerschaft. Am Samstag hat die sogenannte Wiener Konferenz einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Bundes-SPÖ und Arbeiterkammer hatten sich auf in Österreich geborene oder aufgewachsene Kinder von Zuwanderern fokusiert: Sie sollten die Staatsbürgerschaft auf Antrag erhalten, wenn die Eltern sich fünf Jahre lang rechtmäßig im Land aufgehalten haben. Die Wiener SPÖ stellt nun den sozialen Aspekt in den Mittelpunkt: Wie Bürgermeister Michael Ludwig erläuterte, sind vor allem Personen aus Niedriglohnberufen Zielgruppe der Pläne, da sie oft an finanziellen Hürden scheitern. Auch eine kürzere Wartefrist ist für den Stadtchef denkbar.

Das Hauptargument für den Vorstoß ist ein demokratiepolitisches: Der Anteil der Wahlberechtigten an der Wohnbevölkerung sinkt kontinuierlich. Österreichweit ist jeder Fünfte nicht wahlberechtigt, in Wien ist es sogar jeder Dritte. Das hänge damit zusammen, dass die finanziellen und bürokratischen Hürden für eine Einbürgerung zu hoch seien.

Vor allem jener Passus, wonach man nach Abzug aller Fixkosten wie Miete und Strom monatlich über 1030 Euro verfügen müsse, sei für bestimmte Berufsgruppen unmöglich zu erfüllen. Das seien oft jene, die gerade jetzt alles am Laufen hielten, etwa Pflegekräfte oder Reinigungspersonal. Letztere Gruppe habe zu 90 Prozent keine österreichische Staatsbürgerschaft, bei Hilfsarbeitern seien es 80 bis 90 Prozent.

So ist es für den Bürgermeister „sozial ungerecht“, dass gut Verdienende oder Investoren viel leichter zur Staatsbürgerschaft kämen als Personen in Niedriglohnbranchen. Wie viel aus seiner Sicht eine passende Einkommensgrenze wäre, wollte Ludwig noch nicht sagen. Sie müsse aber realistisch erreichbar sein. Man könnte hier auch mit Krankenversicherungsdaten arbeiten, um sicher zu stellen, dass auch Mitversicherte eingebürgert werden können.

Wartefrist verkürzen

Was die Wartefrist auf die Staatsbürgerschaft anlangt, kann sich der Bürgermeister eine Verkürzung auf fünf Jahre vorstellen. Zudem ist in der „Wiener Charta“ vorgesehen, dass in Österreich geborene Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren legal im Land aufhältig ist. Die Gebühren zu senken, ist für ihn auf Wiener Ebene vorstellbar. Ludwig appellierte an den Bund, hier eben solche Schritte zu setzen. In der Charta ist von der vollständigen Streichung der Bundesgebühren die Rede.

Zu den Problemen bei der Erlangung der Staatsbürgerschaft gehören allerdings auch bürokratische Hürden – und für die ist die Stadt Wien selbst verantwortlich. So gibt es bei der MA35 derzeit eine zehnmonatige Wartefrist, bevor potenzielle neue Staatsbürger überhaupt ein Erstgespräch führen können. Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens berichten Bewerber von enormen bürokratischen Hürden – teils wegen der komplizieren Gesetzeslage, teils aber auch, weil die MA 35 überlastet ist.

Nicht rütteln will Ludwig übrigens daran, dass die Staatsbürgerschaft Voraussetzung für die Teilnahme an Bundes- und Landtagswahlen ist. Denkbar ist für ihn allerdings, das Wahlrecht auf Bezirksebene auch Drittstaatsangehörigen zu gewähren – analog zu der Regel, die bereits für EU-Bürger gilt.

ÖVP und FPÖ positionieren sichklar gegen die Vorschläge der SPÖ, ohne allerdings auf deren Argumente einzugehen. Die ÖVP beharrt darauf, die Regeln „nicht aufzuweichen“, die FPÖ ortet eine „Provokation der Sonderklasse“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2022)

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