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"Wer darf Gutes tun?": Prozess gegen Chorherr, Tojner, Benko und Co.

Christoph Chorherr am ersten Prozesstag.
Christoph Chorherr am ersten Prozesstag.APA/GEORG HOCHMUTH
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Die WKStA wirft dem grünen Ex-Gemeinderat Christoph Chorherr Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit vor. Auch prominente Unternehmer, darunter René Benko und Michael Tojner, stehen seit heute vor Gericht. Die „Presse“ berichtete live.

Beeinflussten Spenden von Immobilienfirmen an einen Verein des einstigen Wiener Gemeinderats Christoph Chorherr (Grüne) dessen Amtsführung? Kurz gesagt: Gab es Flächenwidmung gegen Geld? Diese Fragen stellt sich seit heute, Dienstag, ein Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richter Michael Tolstiuk am Wiener Straflandesgericht. Gerichtet sind die Vorwürfe an Chorherr und neun weitere Angeklagte: den Investor René Benko, den Industriellen Michael Tojner, die Immobilienentwickler Erwin Soravia und Günter Kerbler sowie den Investmentbanker Wilhelm Hemetsberger. Zudem sind zwei Soravia-Mitarbeiter und zwei weitere Manager angeklagt.

Ihnen allen gemein ist: Sie bestreiten die Vorwürfe (Chorherr jene des Amtsmissbrauchs und der Bestechlichkeit, die Unternehmer die Bestimmung zum Amtsmissbrauch und Bestechung in unterschiedlichen Beteiligungsformen) und beantragen einen Freispruch. Auch die Vertreter der 21 Verbände, denen die Staatsanwaltschaft vorwirft, zu Unrecht begünstigt worden zu sein, weisen jede Schuld von sich. Es gilt die Unschuldsvermutung. Und es gilt, genau hinzuhören, wie die Verteidiger nicht müde wurden, zu betonen.

Der Reihe nach: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), namentlich Staatsanwalt Roman Reich, wirft Chorherr vor, „sich schmieren lassen“ zu haben. Das würden Chats mit Tojner offenbaren. Freilich, so Reich in seinem Eröffnungsplädoyer, würden die Angeklagten das abstreiten. Denn: „Wie das in Korruptionsangelegenheiten ist: Niemand weiß nix.“ Tatsächlich sei aber nicht alles rechtmäßig abgelaufen.

„Ein Fehler pickt“ an Chorherr

Doch, sei es, konterten umgehend die Verteidiger - als Erstes jener von Chorherr, Richard Soyer. Sein Mandant habe stets „nur die städtebaulichen Interessen der Stadt Wien“ vertreten. Diese Interessen seien nur dann gut vertreten, wenn man sich mit den Menschen „auf Augenhöhe austauscht“. Dieser Austausch schaue bei Chorherr so aus, dass er mit den Menschen, etwa mit Tojner, „per Du“ sei. „Das ist alles okay“, meinte der Verteidiger. Denn: „Es ist ihm nicht daran gelegen, sich gewogen gegenüber Spendern zu verhalten. Er hat sich fair, modern, grün, alternativ, auf Augenhöhe mit den Menschen ausgetauscht.“ „Ein Fehler pickt“ dennoch an Chorherr, räumte Soyer ein: Er habe es verabsäumt, sich rechtzeitig als Obmann des 2004 von ihm gegründeten Vereins zurückzuziehen, erst 2018 habe er den Posten geräumt. Das sei ein Fehler gewesen, aber nichts Strafbares. 

Reich sah das freilich anders: Jeder in Wien habe gewusst, dass man gegen Spenden an den Verein Flächenwidmungen bekomme. So auch Tojner. Stimmt nicht, betonte darauf dessen Verteidiger Karl Liebenwein. Tatsächlich sei das umstrittene Projekt Heumarkt eines der transparentesten überhaupt. Denn: Tojner habe zuerst nur das dort befindliche Hotel Intercontinental neu gestalten wollen, die Stadt Wien sei dann an ihn herangetreten und habe ihn gebeten, sich doch des gesamten Areals anzunehmen. Tojner habe nachgegeben. Dass der Investor bei der Feier anlässlich des 50. Geburtstages des mitangeklagten Soravia an Chorherrs Verein gespendet habe, habe mit all dem nichts zu tun. Es sei schlicht ein Wunsch des Geburtstagskindes gewesen, ihm nichts zu schenken, sondern für andere etwas Gutes zu tun.

„Nicht unterstellen, dass Benko nicht intelligent ist“ 

„Entscheiden Sie, ob der homo oeconomicus nicht mehr Gutes tun darf“, griff Norbert Wess, Verteidiger von Soravia sodann den Ball auf, und wandte sich an die zwölf Schöffinnen und Schöffen - nachdem er der Staatsanwaltschaft zahlreiche Fehler in der Anklageschrift unterstellt hatte (so wurde Chorherr als Planungsstadtrat bezeichnet, sei aber grüner Planungssprecher gewesen - „das ist einfach falsch“). Kritik übte sodann auch Stefan Prochaska, der Benko verteidigt: „Ich bin 30 Jahre im Geschäft und so etwas habe ich noch nie gelesen“, verwies er darauf, dass sich in der Anklageschrift de facto nichts zu seinem Mandanten finde. Zudem zeigte er sich „erschüttert“, darüber, wie mit dem Investor umgegangen werde, sei dieser von der Staatsanwaltschaft schließlich nie einvernommen worden. 

Tatsache sei jedenfalls: „Es geht um den Hauptbahnhof - dieses Projekt wurde in den 80er und 90er Jahren begonnen“, erläuterte Prochaska dann. 2004 sei der Plan beschlossen worden, 2010 folgte der Gemeinderatsbeschluss, 2013 wurde die Flächenwidmung unterschrieben. Benko respektive seine Signa Holding sei 2012 ins Spiel gekommen, aber: „Sie hat nichts mehr verändern können.“ Insofern stehe Benkos 100.000-Euro-Spende an Chorherrs Projekt Ithuba auch nicht damit in Zusammenhang. Denn: „Man kann dem Herrn Benko vieles unterstellen, aber nicht, dass er nicht intelligent ist.“ Soll heißen: „Wieso sollte ein vernunftbegabter Mensch etwas spenden für ein Projekt, dessen Rahmenbedingungen längst vorbestimmt waren?“ 

Die Verhandlung wird am Montag, 14. November, um 9 Uhr fortgesetzt. Die „Presse“ wird wieder live berichten.

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