Korruptionsprozess

Was auf Ex-Grünen-Politiker Chorherr zukommt

Christoph Chorherr vor einer Sitzung der U-Kommission zur Nutzung von Fördergeldern im März 2020.
Christoph Chorherr vor einer Sitzung der U-Kommission zur Nutzung von Fördergeldern im März 2020.(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Ab Dienstag muss sich der frühere Wiener Grünen-Planungssprecher Christoph Chorherr wegen Amtsmissbrauchs verantworten. Prominente Vertreter der Immobilienbranche sind mitangeklagt.

Er hat einen Verein gegründet, der sich karitativen Zwecken widmet – nämlich dem Bau von Bildungs- und Betreuungsstätten für südafrikanische Kinder. Der Verein lebt(e) hauptsächlich von Spenden – und die kamen zuletzt unter anderem aus der Immobilienbranche. Mit dieser hatte Christoph Chorherr auch als Wiener Grünen-Gemeinderat und Planungssprecher Berührungspunkte. Lässt sich eine Verbindung zwischen der Spendentätigkeit und Chorherrs beruflichen Aktivitäten herstellen? Die Anklagebehörde bejaht diese Frage. Und spricht von Amtsmissbrauch. Chorherr bestreitet jeglichen Konnex.

Was wird Christoph Chorherr strafrechtlich vorgeworfen?

Vereinfacht ausgedrückt soll er denen, die für seinen gemeinnützigen Verein gespendet haben oder Spenden in Aussicht stellten, politisch entgegengekommen sein. Er soll in Widmungsverfahren seinen Einfluss im Sinne der Bauwerber geltend gemacht haben. Die Anklage – sie nennt Chorherr einen „gewogenen Ansprechpartner der Politik“ – umfasst ein Spendenvolumen von 1,6 Millionen Euro.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sieht das eben als Amtsmissbrauch und auch als Bestechlichkeit. Damit droht dem früheren grünen Stadtpolitiker eine Haftstrafe. Der Strafrahmen ist denkbar weit gestreckt: Er reicht von einem bis zu zehn Jahren Gefängnis. Freilich gilt für Chorherr ebenso wie für alle anderen Angeklagten die Unschuldsvermutung.

Wer muss denn noch auf der Anklagebank Platz nehmen?

Es sind neun Vertreter der Immobilienbranche, der älteste Angeklagte ist 68 und bereits in Pension. Und ja, man wird in den nächsten Wochen („Die Presse“ berichtete bereits) durchaus prominente Vertreter der Immobilien- bzw. Baubranche auf der Anklagebank finden. Den Großunternehmer und Investor René Benko, den Unternehmer und Industriellen Michael Tojner sowie die Immobilien-Entwickler Erwin Soravia, Günter Kerbler und Wilhelm Hemetsberger. Vorab wiesen diese jede Verbindung zwischen Spenden und der politischen Tätigkeit Chorherrs und damit jede Schuld von sich.

Worin könnte aus Verteidigersicht die Schwäche der Anklage liegen?

Eine Kausalität zwischen der karitativen Tätigkeit von Unternehmern (diese spendeten teils aus der Privatschatulle) und konkreten politischen Einflussnahmen unter Beweis zu stellen, könnte für die WKStA zur Herausforderung werden. In der Anklageschrift schreiben selbst die Korruptionsjäger, dass Chorherrs Tun von den Beamten des Wiener Magistrats nicht so wahrgenommen wurde, als würde es außerhalb des politischen Ermessensbereichs liegen.

Die Anklage gesteht auch zu, dass Chorherrs Entscheidungen „grundsätzlich innerhalb des Ermessensrahmens“ ergingen. Dennoch habe er sich „bis hin zur Entscheidung im Gemeinderat“ auch von „Wohlwollen“ oder allenfalls „Ungunst“ hinsichtlich der Antragsteller leiten lassen. Unterm Strich bleibt die Anklage aber trotz Relativierungen dabei: Chorherrs politische Funktion sei der Grund für die Spenden gewesen.

Wie sieht der „Fahrplan“ des Prozesses aus?

Der Begriff „Großprozess“ ist durchaus angebracht. Ab Dienstag wird im Straflandesgericht Wien ein Schöffensenat im Großen Schwurgerichtssaal tagen. Vorerst wurden elf Verhandlungstage anberaumt, sechs davon im November und fünf im Dezember (der letzte Dezember-Termin ist kurz vor Weihnachten, nämlich der 20. 12.). Vertagungen, etwa aufgrund von Beweisanträgen, sind möglich, ja wahrscheinlich, sodass die Sache bis weit hinein ins kommende Jahr verhandelt werden könnte.

Den Vorsitz wird Richter Michael Tolstiuk führen. Er hat reichlich Erfahrung mit Korruptionsprozessen, verhandelte er doch etwa die ebenso breit angelegten Telekom-Prozesse. Dabei ging es um den Vorwurf, dass seinerzeit Gelder der teilstaatlichen Telekom Austria zur „politischen Landschaftspflege“ abgezweigt wurden.

Mit prominenten Angeklagten hatte Tolstiuk schon mehrfach zu tun. Erst im Juni dieses Jahres fällte er das Urteil im Steuerhinterziehungsprozess gegen den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Dies könnte aus Sicht der Angeklagten als gutes Vorzeichen verstanden werden. Denn Tolstiuk erklärte am Schluss: „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht.“ Danach verkündete er einen Freispruch.

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