Kollektivvertragsverhandlungen

Sozialwirtschaft: Demos, Streiks und massive Kritik an Arbeitsbedingungen

Die Arbeitsbedingungen in Pflegeheimen seien für die Beschäftigten kaum mehr erträglich, viele Mitarbeiter würden den Bereich verlassen, heißt es aus Kärnten.
Die Arbeitsbedingungen in Pflegeheimen seien für die Beschäftigten kaum mehr erträglich, viele Mitarbeiter würden den Bereich verlassen, heißt es aus Kärnten.imago/photothek
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Die Gewerkschaften GPA und vida fordern von den Arbeitgebern eine Gehaltserhöhung um 15 Prozent. Am Dienstag finden Betriebsversammlungen und eine Demonstration in Wien statt.

Arbeitnehmer im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich machen am heutigen Dienstag Druck in den stockenden Kollektivvertragsverhandlungen für die 130.000 Beschäftigten in der Sozialwirtschaft. Die Gewerkschaften GPA und vida fordern von den Arbeitgebern eine Gehaltserhöhung um 15 Prozent, diese hatte 7,5 geboten. Mit Betriebsversammlungen und einer Demonstration vom Westbahnhof zum Ballhausplatz am Nachmittag wollen die Arbeitnehmer ihre Position untermauern.

Um 14.30 Uhr startet ein Demozug vom Christian-Broda-Platz (Wien-Mariahilf). Ziel ist der Ballhausplatz, wo Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA und Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, sprechen werden.

"Nach drei Jahren Dauerkrise inklusive Maske und Schutzausrüstung für die meisten Beschäftigten haben sich die Kolleginnen und Kollegen einen guten Abschluss verdient. Unsere Demonstration gilt den Arbeitgebern gleichermaßen wie dem Finanzminister, der den Trägern die Mittel für eine deutliche Gehaltserhöhung zur Verfügung stellen muss", betonte GPA-Chefverhandlerin Eva Scherz. Ziel für die weiteren Verhandlungen sei ein Abschluss deutlich über der Inflationsrate.

Nachmittagsbetreuung entfällt wegen Versammlungen

Spürbar werden die gewerkschaftlichen Maßnahmen vor allem in den Wiener Ganztagsvolksschulen: die Nachmittagsbetreuung entfällt wegen Betriebsversammlungen der städtischen Freizeitpädagogen, an Einrichtungen mit verschränktem Angebot endet die Schule um 14 Uhr. Seine Unterstützung für die Freizeitpädagoginnen und -Pädagogen sprach am Dienstag der Katholische Familienverband Wien aus.

Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen des Samariterbundes Wien im Bereich Wohnen und Soziale Dienste werden von Dienstagmittag bis voraussichtlich 17 Uhr streiken, konkret betrifft das etwa Wohneinrichtungen für ehemals obdachlose Menschen. In sensiblen Bereichen der Branche wie etwa der Pflege soll der Betrieb aber aufrecht bleiben, wurde betont.

Arbeitgeber sieht „keinen Grund zur Aufregung"

Die Unabhängigen Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen der zivilen Bediensteten kritisieren die Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) dafür, dass diese nicht an der Demonstration teilnehmen wird. Das Gehalt von Sozialarbeiterinnen und Sozialbetreuern im Strafvollzug liege im Durchschnitt bei knapp 15 Prozent unter dem Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft (SWÖ). "Diese Fachkräfte verdienen dieselbe Wertschätzung und den Einsatz ihrer Gewerkschaft GÖD bei Gehaltsverhandlungen", heißt es in einer Aussendung.

"Keinen Grund zur Aufregung" sieht indes die Arbeitgeberseite. Man habe sich in den meisten Punkten verständigen können und ein Angebot vorgelegt, das über dem Metaller-Kollektivvertrag liege, betonte der Geschäftsführer der Sozialwirtschaft Österreich und Verhandlungsführer Walter Marschitz. Die Verhandlungen werden planmäßig am 16. November fortgesetzt. "Bisher haben wir uns immer noch gefunden", blickt er ihnen optimistisch entgegen. Dass die Arbeitnehmer-Forderung nach 15 Prozent plus nicht erfüllbar sei, stehe für die Arbeitgebervertreter jedoch fest.

Kärnten: Offener Brief an Landeshauptmann

Mit einem Hilfeschrei in Form eines Offenen Briefs hat sich die Gewerkschaft außerdem an Landeshauptmann Peter Kaiser und Gesundheitsreferentin Beate Prettner (beide SPÖ) gewandt. Die Arbeitsbedingungen in den Kärntner Pflegeheimen seien für die Beschäftigten kaum mehr erträglich, viele Mitarbeiter würden den Bereich verlassen, heißt es dort. Pflegebedürftige könnten nicht mehr aufgenommen werden, Betten in den Heimen nicht mehr belegt, weil Personal fehle.

Der Arbeitsdruck sei hoch, dazu komme die Belastung zu sehen, dass ein Altern in Würde nicht mehr möglich sei, kritisiert Betriebsrat und Gewerkschafter Valid Hanuna. Gefordert wird ein Pflegeschlüssel von 1:2, eine unlängst beschlossene Verbesserung von 2,336 auf 2,296 stelle keine Entlastung darf. Man müsse versuchen, dem Personalnotstand mit der Einstellung von Hilfskräften beizukommen, so die Forderung. Aktuell sei kurzfristiges Einspringen Alltag, das Leben für die Beschäftigten müsse aber wieder planbar werden. Hanuna: "Zusammenfassend muss gesagt werden, dass das Land seiner Aufgabe im Bereich der Altenpflege zurzeit nicht nachkommt."

Man nehme die Situation in der Pflege "mehr als ernst" und setze laufend Maßnahmen, reagierte Prettner in einer Aussendung auf die Vorwürfe. Der Personalstand in den Kärntner Pflegeheimen habe sich seit 2018 um knapp 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöht. Und seitens des Landes bestehe "auf jeden Fall die Bereitschaft, aufgrund der kurzen Ausbildungsdauer qualifizierte Hilfskräfte zur Unterstützung der Pflegfachkräfte weiterhin kontinuierlich aufzustocken und dies in der Heimverordnung vorzuschreiben".

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