Studieren in Krisenzeiten

Wer wird zum Bettelstudenten?

(c) Petra Winkler
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Schon bisher klagte die Hälfte der Studierenden über finanzielle Schwierigkeiten. Wie geht es dem Studentenbörserl, wenn eine Krise die nächste jagt?

Die Ernüchterung kam vor dem Käseregal im Supermarkt. Das kleine Stück Schmelzkäse war mit 4,13 Euro angeschrieben, der Drautaler mit Kärtnermilch gleich daneben mit 3,98 Euro und auch der Bergkäse war trotz Aktion nicht wirklich billiger. Es würde also eine teure Abendjause werden. Oder doch wieder Tiefkühlpizza? Da wäre der Käse immerhin schon inkludiert. Bisher lag der Käse ja einfach im elterlichen Kühlschrank und zwar ohne Preispickerl. Das wird einem oft erst im Nachhinein bewusst.

Mit dem Beginn des Studiums und dem Wechsel in die Studentenstadt sind Studentinnen und Studenten häufig auch erstmals komplett für das eigene Budget verantwortlich. Und oft ist das nicht allzu üppig. Neben den laufenden Kosten für Miete, Betriebskosten, Heizung, Internet und so weiter ist nun auch das Essen selbst zu bezahlen. Das ist auch ohne Berg- und Schmelzkäse gar nicht so billig. Hinzu kommen Ausgaben für Skripten und dicke Standardliteraturwälzer. Und dann will man das Studentenleben, so wie es einem lange angepriesen wurde, ja auch ein bisschen genießen. Also die neue Stadt und ihre Attraktionen erkunden und die eine oder andere wilde Party schmeißen. Da nähert sich das Konto oft schon vor Monatsende den roten Zahlen.

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»"Viele von uns leben ohnehin schon knapp an der Armutsgrenze, und unsere Zukunft ist alles andere als aussichtsreich."«

Das Vorsitzteam der HochschülerInnenschaft

Es muss teilweise also Verzicht geübt werden. Umso mehr angesichts der stark steigenden Preise. Die Inflationsrate wird laut dem Institut für Höhere Studien (IHS) heuer im Jahresdurchschnitt 8,5 Prozent betragen. Ein lange unerreichter Wert. Hinzu kommt die Unsicherheit auf dem Energiemarkt. In den meisten Wohngemeinschaften wird mit Sorge auf die nächste Strom- und Gasrechnung gewartet. Dabei hat die Bundesregierung schon zahlreiche Entlastungspakete geschnürt. Von Maßnahmen wie der Strompreisbremse oder dem Klimabonus profitieren auch die rund 345.000 Studierenden in Österreich. Zudem werden die Familienbeihilfe und die Studienbeilhilfe künftig jährlich an die Inflation angepasst. Doch reichen diese Maßnahmen?

Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) sagt: nein. Ohne Hilfsmaßnahmen werde die Teuerung dazu führen, dass zahllose Studierende ihr Studium aufgeben müssen, "einfach, weil sie es sich nicht mehr leisten können", warnte die ÖH-Spitze erst kürzlich. Von einer "Generation Krise" ist die Rede geprägt von der Coronakrise, der Klimakrise und nun auch der Energiekrise. Die Studierenden seien von den Auswirkungen dieser Krisen besonders stark betroffen, heißt es von der ÖH: "Viele von uns leben ohnehin schon knapp an der Armutsgrenze, und unsere Zukunft ist alles andere als aussichtsreich."

Sind Junge wirklich stärker Betroffen?

Dass die Teuerung die Studierenden besonders betrifft, lässt sich mit Zahlen freilich (noch) nicht belegen. Untersuchungen dazu gibt es bisher nicht, man kann lediglich aus dem Preismonitor des IHS Auswirkungen auf die Studierenden erahnen. Dort wird das nämlich nach Altersgruppen untersucht. Das Ergebnis: Zuletzt (konkret im August) war die Inflationsrate für die unter 30-Jährigen am niedrigsten: Die Teuerung hat sich in den altersangepassten Warenkörben am wenigsten niedergeschlagen.

"Die These, dass Studierende besonders hart von der Teuerung getroffen werden, lässt sich so nicht halten", sagt Martin Unger vom IHS. Genauso wenig bedeute das aber, dass sie weniger betroffen sind, schränkt der Experte sogleich ein. Denn: "Es ist derzeit einfach schwer zu sagen." Die Situation könne sich nämlich rasch ändern. Noch seien etwa die Wohnkosten nicht so stark gestiegen. Die Lebensmittelkosten hingegen schon. Da Junge im Vergleich zu anderen Altersgruppen einen überdurchschnittlich großen Teil ihres Budgets für das Wohnen ausgeben müssen, hat sie die Teuerung statistisch gesehen noch nicht so stark erfasst wie andere Gruppen. Wobei sich das im Herbst und Winter insbesondere mit Blick auf die Energiekosten schnell ändern könne.

Doch nicht nur die Entwicklung der Kosten lässt sich derzeit schwer abschätzen, auch die Auswirkungen der einzelnen Entlastungsmaßnahmen sind noch unklar. Wie sehr der Strompreisdeckel, der Teuerungsbonus und die Abschaffung der kalten Progression also die schleichende Steuererhöhung durch die Nichtanpassung der Steuerstufen an die Inflation den Studierenden helfen, sei noch nicht abschließend zu beantworten, sagt Unger.

Wer hat finanzielle Schwierigkeiten?

Das hat auch damit zu tun, dass es die Studierenden gar nicht gibt. Es ist eine höchst heterogene Gruppe. Plakativ gesagt sind die Studentinnen und Studenten in Österreich nämlich zwischen 17 und 80 Jahre alt. Ein Teil von ihnen wohnt noch bei den Eltern, ein Teil nennt ein Haus sein Eigentum. Die einen arbeiten Vollzeit, die anderen gar nicht. Manche werden von den Eltern mit Geld nahezu überschüttet, die anderen sehen keinen Cent von der Verwandtschaft. Die Voraussetzungen sind also heterogen. Und auch die Teuerung wirkt sich damit auf die einzelne Studentin und den einzelnen Studenten sehr unterschiedlich aus", sagt IHS-Forscher Unger.

Besonders hart trifft die Teuerung mit Sicherheit jene, die es schon davor nicht leicht hatten und derer gibt es nicht wenige. Das zeigt die bislang letzte Studierendensozialerhebung aus dem Jahr 2019. Schon vor Pandemie und Teuerung berichteten 22 Prozent der Studierenden in Österreich von (sehr) starken finanziellen Schwierigkeiten. Fast genauso viele waren zumindest teilweise von solchen betroffen. Das knappe Geld war also für die Hälfte der Studierenden schon damals Thema.

Die finanziellen Schwierigkeiten steigen mit dem Alter deutlich an. Schulabsolventen können oft (noch) auf die elterliche Unterstützung zählen. Durch die Familienbeihilfe greift auch der Staat noch ordentlich unter die Arme. Außerdem sind die Ausgaben meist noch vergleichsweise überschaubar. Mit zunehmenden Alter wird die Unterstützung weniger. Die Familienbeihilfe fällt mit dem vollendeten 24. Lebensjahr weg, die Eltern wollen oder können nicht mehr zahlen. Zugleich steigen die eigenen Ausgaben. Man hat das WG-Zimmer bereits durch eine Singlewohnung ersetzt oder hat eventuell auch schon Kinder zu versorgen. Das macht es finanziell schwierig.

Eine nicht unwesentliche Rolle spielt freilich auch die (Bildungs-)Herkunft. Studierende, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben, sind doppelt so oft mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert wie Studierende aus Akademikerhaushalten (33 versus 16 Prozent). Die Unterstützung hängt eben auch von der elterlichen Finanzkraft ab. Nimmt man die beiden Faktoren Alter und Bildungsherkunft zusammen, zeigt sich: 25-jährige Studierende mit Eltern ohne Matura haben es finanziell besonders schwer.

Aber auch andere Gruppen haben laut Statistik besonders mit knappem Budget zu kämpfen. Dazu zählen Bildungsausländer (also Studenten aus nichtdeutschsprachigen Herkunftsländern). 40 Prozent von ihnen klagen über Finanzprobleme. Geldsorgen kennen auch Studierende mit Kind. Konkret berichten 29 Prozent der Studierenden mit Kindern unter sieben Jahren davon, bei Alleinerziehenden sind es sogar 42 Prozent. Ganz ähnlich ist die Situation bei Studierenden mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Wie viel Geld haben Studierende zur Verfügung?

Die Frage, die bleibt: Mit wie viel Geld müssen Studierende denn eigentlich im Monat auskommen? Im Schnitt stehen ihnen im Monat etwa 1216 Euro zur Verfügung davon rund 1065 Euro in bar und weitere 151 Euro in Naturalleistungen. Aber das ist eben nicht mehr als eine statistische Größe. Konkret finanziert ein Viertel der Studierenden Leben und Studium mit weniger als 793 Euro pro Monat. Der Hälfte der Studierenden steht ein monatliches Budget von bis zu 1059 Euro zur Verfügung. Das "oberste" Viertel der Studierenden in Österreich hat ein Budget von mehr als 1500 Euro im Monat.

»"Es ist derzeit einfach schwer zu sagen, wie sich die Teuerung auf Studierende im Allgemeinen auswirkt."«

Martin Unger, Experte für Hochschulen am Institut für Höhere Studien



Das Geld kommt aus unterschiedlichsten Einnahmequellen. Die wichtigste ist davon: die eigene Erwerbstätigkeit. Fast zwei Drittel aller Studierenden verdienen ihr eigenes Geld. 857 Euro sind es im Schnitt pro Monat. Mehr als die Hälfte der Studierenden kriegt außerdem Geld von den Eltern. Für die, die in diesen Genuss kommen, sind es durchschnittlich 400 Euro. Hinzu kommen Naturalleistungen. Es werden also beispielsweise Rechnungen übernommen, Bücher oder Winterjacken bezahlt. Ein verhältnismäßig kleiner Teil der Studierenden bezieht übrigens Studienförderung (16 Prozent). Die macht im Schnitt 532 Euro.

Wofür wird das Geld ausgegeben?

Womit wir bei den Ausgaben wären. Auch die sind abhängig von der Lebenssituation höchst unterschiedlich. Aber selbstverständlich liefert die Statistik auch hier Durchschnittswerte. Demnach liegen die Gesamtkosten im Monat bei 1016 Euro (Zahlen aus der Studierendensozialerhebung 2019). Der größte Kostenpunkt sind die Mieten. Etwas mehr als 360 Euro gehen dafür drauf. (Wobei die Summe aufgrund jener, die daheim wohnen und nichts zahlen, etwas verzerrt ist.) Ein weiterer großer Kostenpunkt ist das Essen mit etwas mehr als 200 Euro im Monat. Alle anderen Ausgaben von der Kleidung über Kommunikation bis zur Gesundheit sind vergleichweise gering. Und selbst für die Freizeit werden pro Monat nur 92 Euro locker gemacht. So sagt es zumindest die Statistik.

Es wurde offenbar schon bisher nicht nur vor der Käsevitrine Bedacht auf das Studentenbörserl genommen. Angesichts der Teuerung wird das Sparen in vielen Wohngemeinschaften und auf vielen Studentenfesten noch zum Thema werden.

Die Studienbeihilfe wurde angehoben

Wer wie viel kriegt: Eltern sind in Österreich gesetzlich verpflichtet, für den Unterhalt ihrer Kinder zu sorgen so lang, bis diese sich selbst erhalten können. Das umfasst grundsätzlich auch den Abschluss eines Studiums. Nur wenn Eltern oder Studierende selbst nicht in der Lage sind, die Kosten zu tragen, greift die Studienbeihilfe. Rund 46.400 Personen beziehen sie in Österreich aktuell. Im Schnitt beträgt sie 510 Euro im Monat.

Die Voraussetzung dafür ist eine "soziale Förderungswürdigkeit". Diese setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen: Einkommen, Familienstand, Studienerfolg sowie Studiendauer spielen eine Rolle. Je nach Lebenssituation variieren die Beträge.
Im September wurde sie erhöht und reformiert. So steigen die Beihilfen um 8,5 bis 12 Prozent das ist etwas weniger, als die Inflation seit der letzten Anpassung 2017 ausmacht. Die Höchstbeihilfe liegt künftig bei 923 Euro pro Monat. Ab 2023 wird sie jährlich valorisiert. Außerdem wird die Altersgrenze für den Bezug um drei Jahre auf 33 bzw. 38 Jahre erhöht und die Berechnungsweise reformiert.

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