Wladimir Putins Krieg hat viel Zerstörung über die Ukraine gebracht. Nun deutete sich ein neuer Wendepunkt an.
Ukraine

Blamage für Putin in Cherson

Die russische Armee muss aus der für annektiert erklärten Stadt Cherson abziehen. Das ist ein schwerer Rückschlag für den Kreml-Chef.

Wien/Cherson/Moskau. Cherson befand sich seit Tagen in einem sonderbaren Schwebezustand. Man rätselte, was das plötzliche Verschwinden russischer Flaggen von öffentlichen Gebäuden zu bedeuten habe. Warum Moskaus Uniformierte aus der Stadt verschwunden waren. Und wieso das russische Militär zuletzt mehrere Brücken im Umland sprengte. Von einer bevorstehenden „schwierigen Entscheidung“ hatte Russlands Ukraine-Oberbefehlshaber, General Sergej Surowikin, unlängst in Bezug auf die südukrainische Stadt gesprochen. Dann hieß es wieder, die Russen wollten Cherson zur „Festung“ ausbauen. Zeichen gab es viele. Doch die Entschlüsselung fiel schwer.

Am Mittwoch ließ Moskau die Katze aus dem Sack: Russland zieht seine Truppen vom gesamten westlichen Dnipro-Ufer ab. Cherson, in den ersten Tagen der russischen Invasion handstreichartig besetzt und von Präsident Wladimir Putin erst vor wenigen Wochen als neues russisches Territorium annektiert, wäre damit gefallen. Damit verliert der Kreml das einzige funktionierende Verwaltungszentrum der Ukraine, das er seit Beginn seines Feldzugs im Februar eingenommen hat. Er verliert damit auch einen strategisch wichtigen Brückenkopf am westlichen Dnipro-Ufer, der ein weiteres militärisches Fortkommen in Richtung Mykolajiw und Odessa ermöglichen sollte. Auch die Versorgung der russischen Kräfte von der annektierten Halbinsel Krim her dürfte nun schwieriger werden. Der Abzug ist eine Blamage für den Kreml und eine weitere Verfehlung seiner Kriegsziele.

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