Auf dem Gang in einem Pflegeheim Heidelberg Deutschland *** In the hallway in a nursing home Heidelberg Germany Copyrig
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Mitreden: Mit Pflichtarbeit gegen den Personalnotstand?

Nicht nur in Österreich wird - im Zusammenhang mit dem Medizinstudium - über soziale Pflichtdienste diskutiert. Aber ist das überhaupt ein vertretbarer Weg? Diskutieren Sie mit!

Der Vorstoß des Primars Reinhold Kerbl in der „Presse“, wonach der Aufnahmetest zum Medizinstudium durch ein verpflichtendes einjähriges Pflegepraktikum in einem Krankenhaus ersetzt oder ergänzt werden sollte, schlägt hohe Wellen.

Pflegeverband und Gesundheitsministerium haben  Gesprächsbereitschaft signalisiert, die Ärztekammer ist sogar explizit für eine Reform des Zulassungsverfahrens. Für Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ist Kerbls Idee „kreativ“ und dazu geeignet, eine „nicht böse und nicht konfrontative Diskussion über die Weiterentwicklung der Aufnahmekriterien für das Medizinstudium zu führen“.

Ein neues Aufnahmeverfahren, das nicht nur theoretische naturwissenschaftliche und mathematische Fähigkeiten erfordert, sondern auch „soziale Skills“, sei jedenfalls ein erstrebenswertes Ziel. Hacker meint aber auch: „Ich würde die Idee des Pflegepraktikums nicht als Rettungsanker für den Personalmangel in der Pflege sehen, sondern eher als ergänzendes Kriterium zum Aufnahmetest für das Medizinstudium.“ Mehr Reaktionen auf Kerbls Vorstoß lesen Sie hier.

„Presse"-Gesundheitsexperte Köksal Baltaci schreibt in einem Kommentar: Der Personalmangel in der Pflege wird immer noch unterschätzt." Das Konzept eines Pflegepraktikums sei zwar noch unausgegoren, allerdings sollte man darüber reden. Für Kerbls Vorstoß spreche „die Notwendigkeit, ganz neue Optionen in Erwägung zu ziehen, um gegen den Pflegekräftemangel anzukämpfen.“ Konventionelle Methoden wie höhere Gehälter würden nicht genügen.

Kritik an dem Vorstoß bleibt freilich auch nicht aus. So schreibt etwa Mediziner und Universitätsprofessor Meinhard Kneussl in einem Leserbrief an die „Presse“: „ Ein einjähriges Pflegepraktikum ohne Vorkenntnisse und Einschulung ist keine Alternative, sondern eher eine Belastung für ein funktionierendes medizinisches Team, das aus Pflegekräften und Ärzten besteht."

»"Aus der eigenen Blase herauskommen."«

Frank-Walter Steinmeier

In unserem Nachbarland Deutschland wird noch eine viel weiterreichende Debatte über Pflichtarbeit geführt. Ins Rollen gebracht hat sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sein Vorschlag: In Deutschland, wo die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft wurde, soll es ein soziales Pflichtjahr für alle geben. Dieses würde helfen, „aus der eigenen Blase“ herauszukommen und würde die Gemeinschaft stärken. Obwohl die Idee (unabhängig von den vielen rechtlichen Hürden) in der Politik auf viel Skepsis stößt, hält Steinmeier daran fest.

Hauptkritikpunkt: Viele sehen solche Pflichtarbeit nicht mit einer freien, demokratischen Gesellschaft vereinbar. Zukunftsforscher Daniel Dettling (der auch immer wieder für die „Presse“ schreibt) befürchtet außerdem, dass der Pflichtdienst missbraucht werden kann, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen.

Aber: Es gibt auch viele Zustimmung. Laut einer aktuellen Umfrage der Bertelsmann-Stiftung würden rund 64 Prozent der befragten Deutschen der Einführung einer flexibel gestaltbaren Pflichtzeit unabhängig vom Alter zustimmen.

(sk)

Diskutieren Sie mit: Sind soziale Pflichtdienste wünschenswert? Oder nimmt die Debatte eine gefährliche Richtung? Und konkret: Ist ein einjähriges Pflegepraktikum ein sinnvolles Aufnahmekriterium für das Medizinstudium? Diskutieren Sie mit!

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