Midterms

Biden geht nach US-Wahl auf Republikaner zu, Trump parteiintern unter Druck

Joe Biden will in Ruhe über einen Wiederantritt entscheiden, fühlt sich aber prinzipiell bereit dafür.
Joe Biden will in Ruhe über einen Wiederantritt entscheiden, fühlt sich aber prinzipiell bereit dafür.APA/AFP/MANDEL NGAN
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Wegen äußerst knapper Rennen lässt ein endgültiges Ergebnis auf sich warten - Verbündete raten Ex-Präsidenten, mit Ankündigung von Kandidatur zu warten

Über die künftigen Machtverhältnisse im US-Kongress herrscht nach den wichtigen Zwischenwahlen weiter keine Klarheit. US-Präsident Joe Biden nutzte die Hängepartie und bot den Republikanern die Zusammenarbeit an. Die erwartete Erfolgswelle war für die Partei von Bidens Vorgänger Donald Trump ausgeblieben, was den Ex-Präsidenten unter Druck setzt. Wenige Tage vor einer erwarteten erneuten Bewerbung für das Weiße Haus rieten ihm erste Verbündete, die Ankündigung zu verschieben.

Bei der Parlamentswahl in der Mitte von Bidens Amtszeit war am Dienstag unter anderem über alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses und gut ein Drittel der Senatssitze abgestimmt worden. Weder die Republikaner noch die Demokraten kommen nach bisherigem Stand der Prognosen und Ergebnisse zu den einzelnen Rennen in den Bundesstaaten jedoch auf die Mehrheit der Sitze in Senat und Repräsentantenhaus.

Republikaner nähern sich der Mehrheit im „House"

Den Republikanern werden zwar etwas bessere Chancen eingeräumt, die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu erobern. Die Demokraten schnitten aber insgesamt besser ab als in vielen Umfragen vorhergesagt. Wegen äußerst knapper Rennen könnten noch mehrere Tage oder Wochen vergehen, bis endgültige Klarheit herrscht. Bisher kontrollierten die Demokraten beide Parlamentskammern.

In Georgia, Arizona und Nevada war weiter offen, ob Demokraten oder Republikaner die dort zu vergebenden Senatorenposten bekommen. Im besonders knappen Rennen zwischen Amtsinhaber Raphael Warnock und dem republikanischen Herausforderer Herschel Walker in Georgia geht es am 6. Dezember in die Stichwahl. Sollten nicht bereits die Auszählungen in Arizona und Nevada Klarheit bringen, wird dieses Duell entscheidend sein.

Die Wähler hätten bei der Parlamentswahl demonstriert, dass sie nicht "an jedem Tag eine politische Schlacht durchleben wollen", sagte Biden am Mittwoch in Washington. Er vertrete zwar andere Ansichten als die Mehrheit der Republikaner, "aber sie sind anständige, ehrenwerte Leute", sagte Biden.

Kritik an Trump nimmt zu

Die Partei wurde auch nach Trumps Wahlniederlage gegen Biden 2020 weiterhin vom abgewählten Ex-Präsidenten und dessen Weggefährten dominiert. Republikanische Politiker, die sich gegen ihn stellen, wurden von der Partei meist geächtet. Doch nun mehren sich in der Partei kritische Stimmen, die Trump dafür verantwortlich machen, dass diverse von ihm unterstützte Kandidaten ihre Rennen verloren.

Biden zeigte den Republikanern zugleich die Grenzen seiner Kompromissbereitschaft auf. Er werde mit seinem Veto jedes Gesetz blockieren, das ein landesweites Verbot von Abtreibungen oder eine Aushöhlung der Gesundheitsvorsorge zum Ziel haben sollte, sagte er.

Biden äußerte die Hoffnung, dass man nach der Wahl gemeinsam weiter die Ukraine unterstützen werde. Die USA sind der wichtigste Lieferant von Waffen für das Land, das seit Ende Februar gegen den Angreifer Russland kämpft. Die Republikaner hatten vor der Wahl signalisiert, dass es keinen "Blankoscheck" für die Ukraine geben werde, falls sie die Mehrheit gewinnen sollten. Biden konterte, dass es auch von den Demokraten keinen Blankoscheck gebe.

Biden will Entscheidung treffen - „keine Eile"

Biden bekräftigte, er beabsichtige grundsätzlich, bei der Präsidentenwahl 2024 wieder anzutreten. Letztlich sei das aber eine Entscheidung der Familie. "Ich denke, alle wollen, dass ich kandidiere, aber wir werden es besprechen", sagte der 79-Jährige. Er spüre keine Eile und werde eine Entscheidung nicht davon abhängig machen, was sein Amtsvorgänger mache.

Angesichts der Ungewissheit über den Ausgang der Zwischenwahlen raten erste Verbündete dem Ex-Präsidenten, mit der erwarteten Ankündigung einer erneuten Präsidentschaftskandidatur zu warten. Trump hatte am Vorabend der "Midterms" für den 15. November eine "sehr große Mitteilung" in Aussicht gestellt. Alles müsse sich nun auf die Stichwahl am 6. Dezember in Georgia konzentrieren, sagte der langjährige Trump-Berater Jason Miller dem Sender "Newsmax" am Mittwoch (Ortszeit). "Ich empfehle dem Präsidenten, bis nach dem Rennen in Georgia zu warten", sagte Miller. Ähnlich äußerte sich die frühere Sprecherin des Weißen Hauses unter Trump, Kayleigh McEnany, die mittlerweile politische Kommentatorin beim Sender Fox News ist.

Seit langem wird erwartet, dass Trump für die Präsidentenwahl 2024 eine Kandidatur ankündigen könnte. Da bei den Zwischenwahlen von ihm unterstützte Kandidaten erfolglos blieben, ist seine Position nun allerdings geschwächt. Als möglicher Rivale für ihn im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur gilt Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Er wurde mit deutlicher Mehrheit in seinem Amt bestätigt - und ging damit gestärkt aus dem großen Wahltag hervor.

Ukraine hofft auf weitere Unterstützung

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij äußerte indes die Hoffnung, dass die USA auch unter veränderten Machtverhältnissen im Kongress ihre Unterstützung für sein Land fortsetzen werde. "Wir sind dankbar für die parteienübergreifende Unterstützung. Wir hätten gerne, dass diese parteienübergreifende Unterstützung auch nach den Wahlen aufrechtbleibt", sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Ukrinform im US-Sender CNN. Aus den Reihen der oppositionellen Republikaner hatte es wiederholt Kritik am Ukraine-Kurs der Biden-Regierung gegeben.

Enttäuscht vom Ausgang mehrerer Volksabstimmungen über die Abtreibungsfrage zeigten sich die US-Bischöfe. In Kalifornien, Michigan und Vermont votierten die Wähler dafür, das vom US-Höchstgericht infrage gestellte Recht auf Abtreibung in die Verfassung zu schreiben. In Kentucky und Montana scheiterten umgekehrt Referenden für ein Abtreibungsverbot. "Abtreibung ist nun in Michigan in einem noch nie dagewesenen Ausmaß legal, und Millionen von Leben stehen auf dem Spiel", schrieb etwa Detroits Erzbischof Allen H. Vigneron laut Nachrichtendienst Catholic News Service (CNS) in einem Brief an die Katholiken seiner Diözese. Das Thema Abtreibung hatte viele Anhänger der Demokraten zur Stimmabgabe motiviert, und trug somit zum überraschend schwachen Ergebnis der Republikaner bei.

(APA/dpa)

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