Proteste

EU will Sanktionen gegen Irans Machtapparat ausweiten

Archivbild einer Solidaritätskundgebung für die Proteste in Iran in Berlin.
Archivbild einer Solidaritätskundgebung für die Proteste in Iran in Berlin.IMAGO/Mauersberger
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Wegen der anhaltenden Gewalt gegen Demonstranten wollen die Außenminister etwa Einreisesperren gegen 31 Personen und Organisationen beschließen. Am Donnerstag demonstrieren iranisch-österreichische Ärzte in Wien.

Wegen des gewaltsamen Vorgehens der iranischen Behörden gegen Demonstranten wollen die EU-Staaten am Montag Sanktionen gegen 31 weitere Verantwortliche und Organisationen verhängen. Die Außenminister der Mitgliedsländer wollen Einreisesperren billigen sowie das Vermögen der iranischen Verantwortlichen einfrieren, wie am Donnerstag aus mehreren Quellen in Brüssel verlautete. Betroffen sind unter anderem Kommandanten der Revolutionsgarden und hochrangige Polizeimitglieder.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte das neue Sanktionspaket am Mittwoch angekündigt. "Wir stehen an der Seite der Männer und Frauen im Iran, und zwar nicht nur heute, sondern so lange es notwendig ist", betonte sie auf Twitter. Auf Deutschlands Kritik an Teherans Vorgehens hatte der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian am Donnerstag scharf reagiert. "Provokative, interventionistische und undiplomatische Haltungen zeugen nicht von Raffinesse und Klugheit", schrieb Amirabdollahian ebenfalls auf Twitter. "Deutschland kann sich für Engagement entscheiden, um gemeinsame Herausforderungen anzugehen - oder für Konfrontation", schrieb der Chefdiplomat weiter. "Unsere Antwort wird angemessen und entschlossen sein", drohte er. Historische Beziehungen zu beschädigen, werde langfristige Konsequenzen haben.

Iran wegen angeblicher Waffenlieferungen in Bedrängnis

Im Iran gibt es seit Wochen landesweite Proteste, die durch den Tod einer jungen Frau nach ihrer Festnahme durch die sogenannte Sittenpolizei in Teheran ausgelöst worden waren. Die Frau hatte angeblich ihr islamisches Kopftuch nicht streng genug getragen. Die EU hatte wegen des brutalen Vorgehens gegen Demonstranten bereits am 17. Oktober mehrere Verantwortliche und Organisationen auf ihre Sanktionsliste gesetzt, darunter die Sittenpolizei und die Cyber-Einheit der Revolutionsgarden. Am 20. Oktober traten ähnliche EU-Strafmaßnahmen gegen einen iranischen Drohnenhersteller sowie drei Militärvertreter in Kraft. Hintergrund ist die Lieferung militärischer Drohnen an Russland, die Teheran inzwischen eingeräumt hat.

Der Iran bestreitet dagegen bisher Berichte über Raketenlieferungen an Russland. Sollte sich dies bestätigen, dürfte die EU auch in diesem Bereich Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. Daneben gibt es Bemühungen, die iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU zu setzen. Darüber gibt es dem Vernehmen nach bei den Mitgliedsländern aber bisher keinen Konsens.

Schwester von hingerichtetem Ringer verhaftet

Unterdessen wurde Berichten zufolge die Schwester des 2020 hingerichteten Ringers Navid Afkari von der iranischen Geheimpolizei verhaftet. Elham Afkari werde Spionage und Unterstützung von Terrorismus vorgeworfen, meldete die Nachrichtenagentur Tasnim am Donnerstag. Als Grund nannte Tasnim, dass Afkari mit dem in London ansässigen Sender "Iran International" zusammengearbeitet haben soll. Navid Afkari war 2020 trotz internationaler Proteste in der Großstadt Shiraz hingerichtet worden. Ihm wurde angelastet, 2018 bei Demonstrationen einen Sicherheitsbeamten getötet zu haben. Familie und Menschenrechtsorganisationen hatten ein Geständnis angezweifelt und erklärt, es sei durch Folter erzwungen worden.

Teheran hat zuletzt immer wieder ausländische Mächte für die seit mehreren Wochen andauernden systemkritischen Demonstrationen im Land verantwortlich gemacht und betrachtet den Sender "Iran International" als Terrororganisation. Der Sender dementierte allerdings auf Twitter eine Kooperation mit Elham Afkari.

Eine im Iran festgenommene Reisebloggerin aus Italien ist hingegen nach Angaben aus Rom nach "intensiven diplomatischen Arbeiten" wieder freigelassen worden. Die Römerin Alessia Piperno war am 28. September in Teheran festgenommen und im Anschluss in das berüchtigte Gefängnis von Evin gebracht worden. Piperno, die sich seit Juli im Iran aufhielt, soll sich in den sozialen Netzwerken kritisch über das Regime geäußert haben. Die Angehörigen der Frau beteuerten, dass sich Piperno nicht an den Demonstrationen beteiligt habe.

Demonstration in Wien

In Österreich veranstalten die Österreichisch-Iranische Ärztegesellschaft (ÖIÄG) und die „Medical Professionals for Human Rights in Iran-Austria" (IRANMED) am Donnerstagnachmittag um 14 Uhr eine Solidaritätskundgebung vor dem Außenministerium in Wien. "Im Iran sind die Ärzte und das medizinische Personal stark unter Druck, da sie die verletzten Demonstranten medizinisch versorgen wollen und müssen. Die Versorgung der Verletzten gilt als Straftat. Selbst Apotheken dürfen keine Medikamente und Verbandsmaterialien an Verletzte verkaufen", heißt es in einer Stellungnahme auf der Homepage der ÖIÄG. Die Organisation fordert die Freilassung des medizinischen Personals und anderer politischer Gefangener sowie ein "sofortiges Ende jeglicher Repression gegen medizinisches Personal, das seine Arbeit in Übereinstimmung mit seinem hippokratischen Eid verrichtet".

Am Samstag können Passanten am Stephansplatz bei der Aktion "Eine Strähne für den Iran" Haarsträhnen als Zeichen der Solidarität abgeben. Diese will eine Gruppe von Aktivisten, u. a. die in Teheran geborene Kabarettistin Aida Loos, kommende Woche vor dem Parlament deponieren, um gegen den Besuch einer iranischen Delegation, die für Atomverhandlungen nach Wien kommt, zu protestieren. "Wenn schon mit diesem brutalen Regime verhandelt wird, dann muss die Freilassung der politischen Gefangenen eine Bedingung sein", fordern Exil-Iraner gemeinsam mit österreichischen Prominenten laut einer Aussendung.

(APA/dpa/AFP)

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