Sportwissenschaft

Der persönliche Lauftrainer sitzt in der Kleidung

Viele Menschen würden gern laufen – aber scheitern, weil sie nicht in den richtigen Rhythmus finden. Salzburger Forscher entwickeln Laufbekleidung, die per Sensorik Atmung und Schrittfrequenz harmonisiert.

Wenn vom Wunsch, sich die Laufschuhe anzuziehen und schnell eine Runde zu drehen, nur der Vorsatz bleibt, hört man oft: Laufen ist mir zu anstrengend. Denn ungeübte Läuferinnen und Läufer finden schwer in den eigenen Rhythmus, haben Seitenstechen und kommen außer Atem. Da lässt man es lieber gleich bleiben. Ein Forschungsprojekt, an dem neben Salzburg Research und dem Institut für Sportwissenschaft der Uni Salzburg auch Sportartikelhersteller beteiligt sind, will das ändern. Gemeinsames Ziel: ein Kleidungsstück zu entwickeln, das durch intelligente Sensorik unmittelbares Feedback gibt und die Sportlerinnen und Sportler dabei unterstützt, einen harmonischen Laufrhythmus zu finden.

Getestet werden die smarten Sportsachen mit Frauen zwischen 18 und 30 Jahren, die bisher nicht gelaufen sind. „Laufen wird als anstrengend empfunden, wenn Atmung und Schrittrate nicht zusammenpassen“, fasst Severin Bernhart, Dateningenieur bei Salzburg Research, zusammen. Diese Erkenntnis aus der Sportwissenschaft soll in einen digitalen Coach einfließen, für den die Experten von Salzburg Research die Algorithmen für aussagekräftige Analysen entwickeln. Bewegungssensoren an der Sportbekleidung erfassen jeden Schritt, textile Drucksensoren spüren jeden Atemzug. Es wird gemessen, wie viele Schritte beim Ein- und wie viele Schritte beim Ausatmen gemacht werden. Sind Schrittfrequenz und Atmung im Einklang, fühlt sich die Läuferin gut.

Atmen lässt sich steuern

Die Herzfrequenz könnte zwar – wie bei den handelsüblichen Pulsgurten – auch erfasst werden, spielt aber in diesem Projekt keine Rolle. „Die Herzfrequenz kann nicht aktiv gesteuert werden, außerdem dauert es länger, bis das Herz auf höheres oder langsameres Tempo reagiert“, nennt Bernhart den Grund. Beim Atmen ist das anders. Wie oft und wie lang wir ein- und ausatmen, können wir bewusst steuern, der Effekt stellt sich sofort ein. Sind Atem- und Schrittrate nicht in Harmonie, erhält die Läuferin über den digitalen Atemcoach Feedback. Konkret werden über Kopfhörer Töne im notwendigen Takt eingespielt, die basierend auf der erkannten Schrittfrequenz eine dazu harmonische Atemfrequenz vorgeben.

Damit kann die Läuferin die Atmung an das für sie bevorzugte Lauftempo koppeln, ohne dass sie von ihrer individuellen Laufbewegung abweichen muss. Dass das gut funktioniert, haben erste Experimente gezeigt. „Die Töne werden nicht als nervig, sondern als unterstützend wahrgenommen“, berichtet Bernhart. In einem nächsten Schritt geht es darum, die noch etwas unhandliche Elektronik so zu verkleinern, damit sie von den Läuferinnen nicht als störend empfunden wird. Auch die zeitliche Verfügbarkeit der Batterie sowie die Speicherkapazitäten müssen noch optimiert werden. Ziel ist es, im kommenden Jahr eine Nutzerinnenstudie zu machen und an den Prototypen der intelligenten Sportbekleidung zu arbeiten.

Die Entwicklung des digitalen Coaches, der in die Bekleidung integriert wird, ist Teil des Forschungsschwerpunkts „Digital Motion in Sports, Fitness und Well-being“. Dabei befassen sich Salzburg Research und Partner mit der Analyse menschlicher Bewegungsdaten. Die Ergebnissen sollen helfen, die Freude am Sport durch individuell angepasste Ausrüstung und perfekt abgestimmtes digitales Coaching zu erhöhen und die Bewegungsqualität zu verbessern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2022)

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