Ukraine-Krieg

Russische Truppen aus Cherson abgezogen, strategisch wichtige Brücke eingestürzt

Ukrainian serviceman walks past a building of a kindergarten damaged during a Russian missile attack in the village of Novooleksandrivka, in Kherson region
Ukrainian serviceman walks past a building of a kindergarten damaged during a Russian missile attack in the village of Novooleksandrivka, in Kherson regionREUTERS
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Alle Soldaten und sämtliche Ausrüstung seien auf das linke beziehungsweise östliche Flussufer des Dnipro verlegt worden, meldet das russische Verteidigungsministerium. Die strategisch wichtige Antoniwkabrücke soll zuvor teilweise zerstört worden sein.

Russland hat den Abzug seiner Truppen aus Cherson nach eigenen Angaben abgeschlossen. Alle Soldaten und sämtliche Ausrüstung seien auf das linke beziehungsweise östliche Flussufer des Dnipro verlegt worden, zitieren russische Nachrichtenagenturen das Verteidigungsministerium in Moskau. Auf der westlichen Seite des Flusses, wo auch die Regionalhauptstadt Cherson liegt, befinde sich kein einziger russischer Soldat mehr und auch kein militärisches Gerät. Es habe weder beim Personal noch bei der Ausrüstung Verluste gegeben. Der Abzug sei in der Nacht zum Freitag abgeschlossen worden.

Davor ist die teilweise Zerstörung der strategisch wichtigen Antoniwkabrücke bekannt geworden. Die Brücke sei die einzige nahegelegene Straßenverbindung aus Cherson über den Dnipro zum russisch kontrollierten Ostufer des Flusses gewesen, meldet die ukrainische Rundfunkanstalt Suspilne unter Berufung auf Anwohner. Die nächste Flussquerung für Fahrzeuge sei mehr als 70 Kilometer von Cherson entfernt. Zahlreiche Fotos und Videos in den sozialen Medien zeigen die Schäden an der Antoniwkabrücke.

Selenskij vermeldet Erfolge

In dem Gebiet rund um die südukrainische Stadt seien bereits 41 Ortschaften befreit, teilte Präsident Wolodymyr Selenskij am Vorabend in seiner täglichen Videobotschaft mit. Die Zahl der ukrainischen Flaggen, die im Rahmen der laufenden Verteidigungsoperation "an ihren rechtmäßigen Platz" zurückkehrten, gehe demnach in die Dutzenden.

Allein seit Mittwoch seien ukrainische Verbände bis zu sieben Kilometer tief in ehemals von Russen besetztes Gebiet vorgestoßen, berichtete der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnyj. Nach Darstellung des Generalstabs in Kiew zogen die russischen Militärs nur langsam ab, um ihre Verteidigungslinien am linken Ufer des Dnipro zu verstärken.

Wie der ukrainische Gouverneur des Gebietes Mykolajiw, Witalij Kim, berichtete, sei Tschornobajiwka, ein Vorort direkt an der Stadtgrenze von Cherson, bereits unter ukrainischer Kontrolle. Nähere Angaben machte er zunächst nicht. "Wir schweigen weiterhin, denn all dies ist Sache des Militärs."

Verwüstung und Verminung

Bei ihrem Abzug aus Cherson haben russische Truppen nach Medienberichten die südukrainische Stadt verwüstet. Neben dem Fernsehzentrum seien unter anderem Fernheizungsanlagen und Funkmasten gesprengt worden, berichtete die "Ukrajinska Prawda" am Donnerstag. Zudem sei in der Stadt der Strom komplett ausgefallen, ebenso wie das Internet. Bereits in den vergangenen Tagen waren mehrere Brücken über den Dnipro gesprengt worden.

Selenskij warnte vor Gefahren in den von den Besatzern aufgegebenen Gebieten. "Die erste und grundlegende Aufgabe ist die Minenräumung", sagte er. Die Besatzer ließen tausende Blindgänger und Munition zurück. "Ich habe oft Schätzungen gehört, dass die Räumung der Ukraine von russischen Minen Jahrzehnte dauern wird." Noch rund 170.000 Quadratkilometer des Landes seien demnach minenverseucht.

Der Staatschef der Ukraine wies darauf hin, dass die aktuellen Erfolge der ukrainischen Streitkräfte "durch Monate brutalen Kampfes" erreicht worden seien. "Es ist nicht der Feind, der geht - es sind die Ukrainer, die die Besatzer verjagen", sagte Selenskij. "Und wir müssen den ganzen Weg gehen - auf dem Schlachtfeld und in der Diplomatie - damit überall in unserem Land, entlang unserer gesamten international anerkannten Grenze, unsere Flaggen - ukrainische Flaggen - zu sehen sind. Und keine feindlichen Trikoloren mehr."

(APA/dpa/Reuters/Red. )

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