Umnutzungen

Büro statt Hotel, Wohnung statt Fabrik

Das ehemalige Buwog-Zentrum am Hietzinger Kai präsentiert sich mit neuem Gewand und Inhalt.
Das ehemalige Buwog-Zentrum am Hietzinger Kai präsentiert sich mit neuem Gewand und Inhalt.Buwog/comm.ag
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Immobilienentwickler sehen in diesem Trend die Chance, profitabel und umweltverträglich zu sanieren. Einige Beispiele.

Ein in die Jahre gekommener Büroturm verwandelt sich in ein schickes Hotel, ein ehemaliges Fabriksgebäude präsentiert sich als Wohnpark: Immobilienunternehmen und Investoren setzen zunehmend darauf, sanierungsbedürftige Objekte herauszuputzen und mit neuen Nutzungsformen auf den Markt zu bringen, statt abzureißen und neu zu errichten. „Derartige Engagements rücken immer mehr in den Vordergrund, da Baugrund für Neubauprojekte vor allem im städtischen Bereich immer knapper wird, und es oft wirtschaftlicher ist, Bestand mit einer neuen Funktionalität zu versehen“, bestätigt Andreas Holler, als Geschäftsführer der Buwog Group unter anderem zuständig für Projektentwicklung und Baumanagement.

Sein Unternehmen hat derzeit ein aufsehenerregendes Projekt am Start: Das ehemalige Technische Museum und spätere Buwog-Verwaltungszentrum am Hietzinger Kai in Wien eröffnet derzeit Schritt für Schritt als Medikai – ein Gesundheitszentrum, in dem sich bereits eine Diagnoseeinrichtung sowie Labors angesiedelt haben. Außerdem werden die Stadt Wien sowie die Volkshochschule einziehen. Fassadenbegrünung sorgt für Effizienz in Sachen Umwelt- und Klimaschutz.

Tolle Ökobilanz, schwierige Arbeit

Warum sich Entwickler verstärkt für Umnutzungen entscheiden, erklärt Holler so: „Die Bausubstanz bleibt erhalten, das ist nachhaltiger als Abriss und Neubau.“ Daniel Jelitzka, Geschäftsführer von JP Immobilien, ergänzt: „Man steigt nicht nur besser aus, was die Ökobilanz betrifft, sondern kann ein Projekt zügig vorantreiben, da das Gebäude ja bereits steht und man keine Frist für eine Baubewilligung einrechnen muss.“ JP Immobilien ist gerade dabei, das Fünfzigerjahre-Gebäude von Architekt Carl Appel im dritten Bezirk, in dem bis vor vier Jahren die Sektion Gewerbe der Wirtschaftskammer untergebracht war, völlig umzukrempeln: Im Herbst 2023 soll es als Hotel der Marke The Hoxton mit 200 Zimmern, Rooftop-Bar und Spabereich Wiederauferstehung feiern.

Beim Thema Nachhaltigkeit hakt auch Sebastian Nitsch, CEO des Investors 6B47, ein. Er verweist auf das Althan-Quartier im neunten Bezirk, wo unter dem Projektnamen „Francis“ im Komplex über dem Franz-Josefs-Bahnhof großzügige Büro- und Gewerbeflächen als Teil eines neuen urbanen Zentrums entstehen. Geplante Fertigstellung: Ende 2023. „Da wir das Stahlbetonskelett aus den 1970ern stehen lassen, quasi den Rohbau ein zweites Mal nutzen, sparen wir im Vergleich zu einem Neubau 67 Prozent CO2-Äquivalent und rund 12.000 Fahrten mit Schwertransportern“, sagt Nitsch. Allerdings: „Das nahezu chirurgische Entfernen der alten Substanz, unter Bedachtnahme auf die Statik, ist langwierig und teuer.“ Jelitzka pflichtet bei: „Bei Arbeiten in derart beengtem Raum kann man ja kein großes Gerät einsetzen.“

NUTZUNGSWECHSEL IM KOMMEN

Für welches neue Nutzungskonzept sich die Entwickler entscheiden, hängt in erster Linie von Ausstattung und Lage des Bestandsobjekts ab. Jelitzka: „Da geht man den umgekehrten Weg als bei einem Neubau, bei dem die künftige Funktion die Wahl des Standorts sowie die Gestaltung bestimmt.“ Gewerbeflächen werden gerade in jüngster Zeit meist wieder als Gewerbeflächen, allerdings mit neuem Schwerpunkt, genutzt, beobachtet Holler: „Der Bedarf ist unter anderem durch die aufstrebende Start-up-Szene gegeben. Gerade junge Selbstständige aus der Kreativszene wollen oft keine ,klassischen‘ Büros, sondern Ziegelambiente, loftartige Räume mit Industrial-Chic.“Experten gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren zahlreiche Objekte auf den Markt kommen werden, die sich für eine Umnutzung eignen. Denn ESG-Kriterien und die Berichtspflicht in Sachen Nachhaltigkeit könnten viele Besitzer alter Gebäude mit schlechter Ökobilanz dazu bringen, Käufer zu suchen. Gewerbeflächen werden in jüngster Zeit meist wieder für Gewerbe, allerdings mit neuem Schwerpunkt, verwendet, je nach Möglichkeit auch als Hotel oder Wohnraum. Besonders begehrt: hohe Räume für kreative Nutzung.

Ehemalige Büros oder Industriehallen eignen sich aber, entsprechend adaptiert, auch für Wohnzwecke. So wurde das frühere Amtshaus im 19. Bezirk vor Kurzem an neue Bewohner übergeben, in Rudolfsheim-Fünfhaus werden in einem einstigen Seniorenheim 72 Wohnungen eingerichtet. „Die Frage ist, ob die Architektur solche Pläne zulässt“, sagt Holler. „Die Schnitte müssen für Wohnzwecke passen, die Errichtung von Nassräumen muss möglich sein.“ Die Umnutzung zu gewerblichem Wohnen, also etwa als Hotel, sei einfacher. „Man kann flexibler sein und kreative Lösungen finden.“ „Andererseits“, meint Jelitzka, „lassen die Geschoßhöhen ehemaliger Gewerbebauten ein Raumgefühl entstehen, das sie für Wohnzwecke besonders spannend macht.“

Interessant wird es zudem, wenn der Denkmalschutz ins Spiel kommt – so wie in Graz. Auf einem ehemaligen Brauereigelände entsteht der neue Stadtteil Reininghaus. Vom Altbestand blieb lediglich die denkmalgeschützte Tennenmälzerei. Die Kreativszene wünscht sich dort ein kulturelles und soziales Zentrum, die Politik liebäugelt mit einem Industriemuseum. Noch ist unklar, welche Variante zum Zug kommen wird. Die „Unantastbarkeit der inneren Struktur“ des aus dem Jahr 1888 stammenden Gewölbes sei jedenfalls eine Herausforderung bei der Adaptierung der Räume für jedwede künftige Nutzung, hieß es bei der Präsentation.

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