Ungewöhnlich schönes Wetter hat durch die Erderwärmung seine Unschuld verloren: Junge Menschen im Berliner Mauerpark, Anfang November 2022.
Essay

Darf ich mich über zu schönes Wetter freuen?

Goldener Herbst, milder Winter: Was wir früher als Glücksfall erlebten, gilt nun als Menetekel der Klimakatastrophe. TV-Meteorologen verwandeln sich in Bußprediger. Aber die Verknüpfung von Wetter und menschlicher Schuld ist uralt.

Noch einmal goldener Herbst, an diesem Wochenende. Wo die Sonne scheint, bleibt es ungewöhnlich mild, und die verbliebenen Vögel jubilieren wie im Vorfrühling. Herr, „gib ihnen noch zwei südlichere Tage“, heißt es in Rilkes „Herbsttag“. Und wenn es kein göttliches Geschenk sein soll, dann eben glückliche Fügung, eine wundervolle Caprice der Natur, jedenfalls ein Grund zur Freude. So hätten wir es früher empfunden. Aber nun eben auch, oder stattdessen: als Menetekel, als unheilvoller Vorbote einer Klimakatastrophe. So wird die Freude über schönes Wetter zur kognitiven Dissonanz, zur „guilty pleasure“, einem heimlichen Vergnügen, das sich mit Zweifel, Scham und Gewissensbissen mischt.

Dafür sorgt auch der ZDF-Wetterberichterstatter Özden Terli, der vor einigen Wochen in Deutschland eine breite Debatte auslöste. Noch unter dem Eindruck der Hitzewellen verkündete er in der „Süddeutschen“, das „schöne Wetter“ aus seiner Moderation zu verbannen: „Was ist denn schön daran, wenn draußen alles gelb ist vor Trockenheit und die Bäume leiden?“ Seine Auftritte sollen zur Warnung dienen, kein launiges Supplement der Nachrichten mehr sein.

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