Großeinsatz

Türkei macht militante Kurden für Anschlag verantwortlich

Explosion in central Istanbul´s Taksim area
Explosion in central Istanbul´s Taksim area(c) REUTERS (KEMAL ASLAN)
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Die Explosion ereignete sich in der beliebten Einkaufsstraße Istiklal. Vizepräsident Oktay sagte, eine Verdächtige habe die Bombe deponiert. Mindestens sechs Menschen kamen ums Leben, Dutzende wurden verletzt. 21 Personen wurden festgenommen.

Bei einem Anschlag im Zentrum der türkischen Metropole Istanbul sind am Sonntag nach offiziellen Angaben mindestens sechs Menschen getötet und 81 weitere verletzt worden. Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay sprach von einem "Terroranschlag" auf der belebten Einkaufsstraße Istiklal. Einsatzkräfte hätten die Person, die die Bombe dort deponiert habe, festgenommen, zitierte der staatsnahe Sender TRT Innenminister Süleyman Soylu in der Nacht auf Montag.

Die türkische Regierung macht militante Kurden aus Syrien für den Bombenanschlag in Istanbul verantwortlich. Der Befehl für den Anschlag sei aus der nordsyrischen Stadt Kobane gekommen, sagte Innenminister Süleyman Soylu am Montag. Dort sind die türkischen Streitkräfte in den vergangenen Jahren mehrfach gegen die syrisch-kurdische Miliz YPG vorgegangen, die von Ankara als Terrororganisation und Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK angesehen wird.

Die Person, die mutmaßlich die Bombe in der Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal gelegt haben soll, sei zudem durch die nordsyrische Region Afrin gereist, sagte Soylu. Diese Person sei festgenommen worden. Daneben seien etwa 21 weitere Verdächtige festgenommen worden. Im Fernsehen wurden Bilder gezeigt, wie offenbar eine Frau ein Paket am Tatort ablegte.

Medien veröffentlichten Videos von der Festnahme einer Verdächtigen. Der Staatssender TRT veröffentlichte etwa am Montagmorgen ein Einsatzvideo von Sicherheitskräften, das eine auf dem Boden liegende mit Handschellen fixierte Frau zeigt. Dem Bericht zufolge soll sie die am Sonntag detonierte Bombe auf der belebten Einkaufsstraße Istiklal deponiert haben.

Erdogan: „Hinterhältiger Anschlag“ 

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte kurz zuvor erklärt, es handle sich bei der Explosion um einen "hinterhältigen Anschlag". Definitiv von Terrorismus zu sprechen, sei vielleicht falsch, schränkte er ein. Aber der Gouverneur der Metropole, Ali Yerlikaya, habe ihm gesagt, es liege ein "Geruch von Terror" in der Luft, so Erdogan weiter. "Die Verantwortlichen werden die Strafe bekommen, die sie verdienen", fügte er hinzu. Istanbul und andere türkische Städte waren in der Vergangenheit wiederholt von politisch motivierten Anschlägen militanter kurdischer oder islamistischer Gruppen erschüttert worden.

Die Detonation hatte sich laut Yerlikaya um 16.20 Uhr Ortszeit (14.20 Uhr MEZ) zugetragen. Oktay zufolge kamen vier Menschen an Ort und Stelle ums Leben. Unter den Toten seien auch ein Ministeriumsmitarbeiter und seine Tochter, schrieb Familienministerin Derya Yanik am Abend auf Twitter. Während 39 Verletzte bis zum Abend aus dem Krankenhaus entlassen werden konnten, befanden sich 42 Personen noch in Behandlung. Davon waren fünf auf der Intensivstation, zwei von ihnen galten als schwer verletzt, sagte Gesundheitsminister Fahrettin Koca.

Auf nicht verifizierten Aufnahmen, die über die sozialen Medien verbreitet wurden, war ein Feuerball inmitten der belebten Straße zu sehen. Andere ebenfalls zunächst nicht verifizierte Bilder zeigten mit Blut überströmte Menschen, die reglos auf dem Boden lagen. Ein Kellner in einem Restaurant in der Nähe des Anschlagsorts berichtete, er habe einen lauten Knall gehört und Menschen wegrennen sehen.

Rettungskräfte und Polizei waren in großer Zahl am Ort im Einsatz, berichtete der staatliche Sender TRT. Hubschrauber überflogen das Stadtviertel Beyoglu und angrenzende Stadtteile. Die Rundfunkbehörde verhängte eine vorläufige Nachrichtensperre, damit es nicht zu Panik in der Bevölkerung kommt.

Touristischer Hotspot

Die Straße ist ein touristischer Hotspot im Zentrum des europäischen Teils der türkischen Metropole, die auch sonntags häufig stark besucht wird. Es war unklar, ob auch Österreicher unter den Opfern waren. Wie es aus dem Außenministerium auf APA-Anfrage hieß, lagen diesbezüglich noch keine Informationen vor. Die Erkundigungen durch das Generalkonsulat in Istanbul seien aber noch im Gange.

Umgehend gab es zahlreiche internationale Beileidsbekundungen, auch aus Österreich. Bundespräsident Alexander Van der Bellen war in "Gedanken bei den Familien der Opfer". "Ich hoffe, dass die Hintergründe schnellstmöglich aufgeklärt werden können", schrieb Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Sonntagabend auf Twitter. Das Außenministerium schrieb von "grauenvollen Nachrichten" aus Istanbul und übermittelte den Verletzten Genesungswünsche. Ihr "tiefes Mitgefühl" den Opfern und deren Familien bekundete auch die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Parlament, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigte sich auch in einem Tweet auf Türkisch "tief betroffen" vom "Gewaltakt" in Istanbul.

2016 Anschlag mit vier Toten

Die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Karine Jean-Pierre, verurteilte die "Gewalttat". "Wir stehen im Kampf gegen Terrorismus Seite an Seite mit unserem Nato-Verbündeten Türkei", erklärte sie weiter für das Weiße Haus. "Erschüttert" zeigte sich auch der deutsche Präsident Frank-Walter Steinmeier. "In diesem Moment des Schocks stehen wir Deutsche an der Seite der Bürgerinnen und Bürger Istanbuls und des türkischen Volkes."

In der Türkei ist es in der Vergangenheit immer wieder zu Anschlägen gekommen - auch im Zentrum Istanbuls. 2016 hatte sich etwa ein Selbstmordattentäter auf der Istiklal in die Luft gesprengt und vier Menschen getötet, 39 weitere wurden verletzt. Nach Angaben der türkischen Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Die Gruppe selbst bekannte sich damals nicht zu der Tat. Im selben Jahr waren bei einem Selbstmordattentat des IS im historischen Zentrum Istanbuls zwölf Deutsche getötet worden. Auch die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verübt immer wieder Anschläge in der Türkei.

(APA/dpa/Reuters)

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