Wiener Ansichten

Weinberggasse: Wie viel Turm braucht eine Zwiebel?

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Ein Stück Industriegeschichte mitten im Gemeindebau: Besuch im Franz-Weber-Hof.

Knapp fünf Hektar mit 430 Wohnungen, verteilt auf 42 Stiegen, das Ganze gestaltet von einem kleinen Who's who der hiesigen 1980er-Architektenschaft: Der Franz-Weber-Hof, Wien Döbling, wirkt aus der Sicht des Baugeschehens der Gegenwart fast wie ein Gruß aus (allzu) fernen Wohnbautagen. Da wäre einmal diese turbulente Mischung der Baustile jener Zeit, vom Postmodernen bis zum Technoiden; und all das ist in Baublöcke gefasst, die fünf Geschoße nirgends überragen und viel Platz für Freiraum lassen. Ja, so war das damals, in der guten alten Gemeindebauzeit.

Doch da ist noch etwas ganz anderes, das Aufmerksamkeit verdient. Kaum hat man das großzügige Grün in der Mitte der Anlage betreten, sieht man sich einem, nun ja, überraschenden Objekt gegenüber: einer mächtigen Turmzwiebel – ohne die kleinste Andeutung von Turm darunter. Bloß auf ein paar Holzpfosten aufgestelzt, steht das bedauernswerte Ding da, ein Stück Strandgut heimischer Industriegeschichte: Denn einst krönte es, weithin sichtbar, das Produktionsgebäude der Automobilfabrik Gräf & Stift, die hier von 1904 bis in die Nachkriegsjahre ihre Heimstatt hatte.
Was 1896 mit einer Fahrradwerkstätte, begründet von den Brüdern Gräf, begann, begleitete die Habsburgermonarchie getreulich in den Untergang: Eine Limousine von Gräf & Stift war es, in der das Thronfolgerpaar zu Sarajewo in den Tod fuhr, eine andere, die den letzten Kaiser ins Schweizer Exil begleitete. Die Jahre nach dem „Anschluss“ wiederum sahen das Gelände an der Weinberggasse ganz im Zeichen der Produktion von Lastkraftwagen und Autobussen – und als Standort zweier Zwangsarbeitslager.

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