Pizzicato

Ein russischer Tourist auf Bali

Wer sich gefragt hat, was Außenminister bei Reisen in der spärlichen Freizeit – jenseits des Klischees vom Abhängen an der Hotelbar – so treiben, bekam auf Bali einen Einblick.

Das Außenministerium in Moskau postete ein Foto von Sergej Wiktorowitsch Lawrow beim Studium von Unterlagen auf der Terrasse unter Palmen, Meerblick inklusive – in Shorts und T-Shirt mit Krone und Basquiat-Schriftzug. Das könnte André Heller und Klaus Albrecht Schröder gefallen haben – eine Gratis-PR für die Wiener Basquiat-Schau. In den 1980er-Jahren, als der Künstler in Mode kam, war der damalige Sowjetdiplomat bei der UNO in New York akkreditiert. Eine goldene Ära, zumindest für Lawrow – und Donald Trump.

Lawrow vermittelte den Eindruck eines russischen Touristen – oder Rentners – ohne Geldsorgen in Dubai, Antalya oder anderswo bei der Lektüre der Börsenkurse. Der Moskauer Chefdiplomat und Whiskey-Kenner war für seinen Boss eingesprungen, den Paria unter den Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten.

Auf Augenhöhe konnte der Außenminister nicht agieren. Von Tête-à-Têtes mit Biden, Macron oder Xi war er ausgeschlossen, und so räsonierte er darüber, auf Bali zu bleiben, statt in den russischen Winter zurückzukehren und sich von Wladimir Putin herumkommandieren zu lassen. Der Tagtraum platzte dann jäh. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2022)

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