Neutralität

Grüne und Experten für Beteiligung an "Sky Shield"-Luftabwehr

Verfassungsrechtlich gebe es durchaus Möglichkeiten zu einer engeren Zusammenarbeit, "und das möchte ich heute ansprechen", sagte Tanner am Dienstag vor einem Treffen der EU-Verteidigungsminister.
Verfassungsrechtlich gebe es durchaus Möglichkeiten zu einer engeren Zusammenarbeit, "und das möchte ich heute ansprechen", sagte Tanner am Dienstag vor einem Treffen der EU-Verteidigungsminister.IMAGO/ZUMA Wire
  • Drucken

Der Koalitionspartner begrüßt den Vorstoß von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, sich am Nato-Luftabwehrsystem „Sky Shield“ zu beteiligen. Experten sehen keine Neutralitäts-Problematik. SPÖ und FPÖ sind kritisch.

Recht unerwartet hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Dienstag eine österreichische Beteiligung an „Sky Shield“ ins Treffen gebracht. Österreich sei „herzlich willkommen“, sich am geplanten Luftabwehrsystem der europäischen Nato-Länder zu beteiligen, hieß es auch vonseiten der deutschen Verteidigungsministerin. Sowohl beim Koalitionspartner, als auch von Expertenseite, wird der Vorstoß begrüßt.

David Stögmüller, der Wehrsprecher der Grünen, äußert sich im Ö1-"Morgenjournal“ wohlwollend zur Thematik. Es brauche auf dem Gebiet Luftabwehr „durchaus Kooperationen, um gemeinsam erfolgreich zu sein“ und die Sicherheit von Europa zu gewährleisten, meint Stögmüller. Dies müsse jedoch „immer im Rahmen der Neutralität“ stattfinden. Im Sinne einer offenen Diskussion über die Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert, begrüßt der Grüne Wehrsprecher Tanners Vorhaben. Zunächst müsse ein entsprechender Vorschlag aber freilich ausreichend geprüft und begutachtet werden.

Sinnvollerer Einsatz von Ressourcen

Der Politikwissenschaftler Franz Eder von der Universität Innsbruck schließt sich Stögmüller an. Endlich sei Österreich so weit, lobt der Experte. Seit Längerem werde bereits argumentiert, dass die EU-Staaten „europäische Sicherheit gemeinsam denken“ müssen. Nach nationalstaatlichen Lösungen zu suchen, ist laut Eder nicht der richtige Weg. Das gelte insbesondere für kleine Staaten.

Aus rechtlicher Sicht sei „Sky Shield“ unbedenklich, auch wenn Nato-Staaten dabei sind, sagt der Experte. Die EU habe sich mit ihren jüngsten Beschlüssen einen „strategischen Kompass“ gegeben, der etwa auch gemeinsame Rüstungsinvestitionen vorsieht. Österreich könne sich auch als neutrales Land an solchen Projekten beteiligen, hält Franz Eder fest. Auch in anderen Bereichen, wie etwa beim gemeinsamen Betrieb von Flugzeugen, könne man von einer engeren Zusammenarbeit profitieren.

Der Verteidigungsexperte Franz-Stefan Gady weist darauf hin, dass Österreich plane, ein Mittelstrecken-, Flug- und Abwehrsystem um zwei Milliarden Euro anzuschaffen. Allein das spreche, neben dem Gewinn an Sicherheit und Expertise, bereits für die Teilnahme am Projekt „Sky Shield“. Die Experten sind sich einig, dass eine arbeitsteilige Verteidigungspolitik zu einem sinnvolleren Einsatz der Ressourcen führen würde.

SPÖ: „Neutralität muss gewahrt werden"

Die SPÖ hat verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich einer Beteiligung. "Ich erwarte eine umfassende Analyse des Verfassungsdienstes, ob eine Beteiligung an der "Sky Shield"-Initiative auch mit der Neutralität konformgeht", teilte SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer am Mittwoch in einer Aussendung mit. Ohne klare Bewertung dürfe Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) "jedenfalls nicht handeln".

Tanner hatte am Dienstag beim EU-Verteidigungsministertreffen in Brüssel das grundsätzliche Interesse Österreichs an der Initiative deponiert, sich aber für eine Diskussion im Rahmen der EU und nicht der Nato stark gemacht. Der Austausch solle zunächst auf technischer Ebene stattfinden, auch eine verfassungsrechtliche Prüfung sei noch notwendig.

Laimer bewertete die Überlegungen für eine Teilnahme an der Initiative grundsätzlich als sinnvoll. "Wenn es einen gesamteuropäischen Raketenschutzschild gibt, wird Österreich wohl oder übel darunterfallen. Eine Teilnahme an der Initiative wäre – solange sie neutralitätspolitisch abgesichert ist – eine gute Idee. Durchschummeln wollen wir uns nicht", sagte er. Zugleich betonte er, dass "Sky Shield" nicht als Vorwand dienen sollte, die Selbstverteidigungsfähigkeit Österreichs nicht auszubauen. "Die Luftraumverteidigung ist unsere Aufgabe, wir haben uns auch selbst darum zu kümmern."

FPÖ mit scharfer Kritik

Sky Shield soll nach bisherigem Stand für die europäischen NATO-Staaten eine Abwehr von ballistischen Raketen und Drohnen garantieren. Neben Deutschland sind Großbritannien, die Slowakei, Norwegen, Lettland, Ungarn, Bulgarien, Belgien, Tschechien, Finnland, Litauen, die Niederlande, Rumänien, Slowenien und Estland dabei.

Die FPÖ bekräftigte indes ihre scharfe Kritik an den rüstungspolitischen Weichenstellungen der Europäischen Union im Ukraine-Krieg. Parteichef Herbert Kickl und Europasprecherin Petra Steger erneuerten am Mittwoch in einer Aussendung ihre Forderung, den EU-Mitgliedsbeitrag und die Beiträge für die EU-Friedensfazilität auszusetzen, weil dort "zwar Frieden draufstehe, aber auch Kriegsgerät drin" sei. Waffenlieferungen für die Ukraine würden nämlich "nur weiteres Leid" verursachen und "massives Eskalationspotenzial" besitzen, weil sich die EU dadurch "immer mehr selbst auf den Weg zur Kriegspartei begibt". Zudem würde sich durch die Waffenlieferungen nur die US-Rüstungsindustrie "die Taschen voll" machen. "Das ist völlig absurd, ein neutrales Land wie Österreich darf bei so etwas nicht mitmachen", erklärten die beiden FPÖ-Politiker.

Die Europäische Union steht ihrer Beitrittskandidatin Ukraine unter anderem mit Waffenlieferungen in der Selbstverteidigung gegen den russischen Eroberungskrieg zur Seite. Österreich hat den Beschluss entsprechender Programme durch eine sogenannte "konstruktive Enthaltung" ermöglicht, sieht seine Neutralität aber dadurch gewahrt, dass es explizit keine tödliche Ausrüstung an die Ukraine liefert.

(APA/vahei)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.