Begriffsverwirrung: Ende des Migrationshintergrunds

Ende Migrationshintergrunds
Ende Migrationshintergrunds(c) AP (Focke Strangmann)
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Statistisch betrachtet ist nach zwei Migrantengenerationen Schluss. Die dritte Generation und folgende werden als Österreicher gezählt. Weitere wären statistisch ohnehin nur noch schwer zu erfassen.

Wien. Werden Angehörige der dritten, vierten oder fünften Generation den sozialen Aufstieg vollends geschafft haben? Auf Fragen wie diese könnte zur gegebenen Zeit die Statistik Antworten geben. Doch mit Datenmaterial der amtlichen Statistik Austria darf dabei nicht gerechnet werden. Denn über die zweite Generation hinaus werden keine Daten erhoben, sagt Bevölkerungsexperte Stephan Marik-Lebeck. Angehörige der dritten Generation werden nicht als Migranten, sondern als Österreicher begriffen. Man halte sich hier an die Definition der UNECE (United Nations Economic Commission for Europe). Menschen mit Migrationshintergrund sind dieser Definition nach Personen, deren beide Elternteile im Ausland geboren wurden. Unterschieden wird weiters in Migranten erster Generation, also im Ausland Geborene, und Migranten zweiter Generation, also im Inland geborene Kinder von Zuwanderern. Demzufolge leben rund 1,4Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich.

Binationale Kinder zählen nicht

Doch wenn nur ein Elternteil im Ausland oder ein Elternteil in Österreich geboren ist, wie dies bei binationalen Beziehungen oftmals der Fall ist, wird das Kind nicht als Person mit Migrationshintergrund eingestuft. So hat ein Sprössling mit serbischer oder türkischer Mutter und österreichischem Vater in der Statistik keinen Migrationshintergrund, sondern fällt unter die Rubrik „Österreicher“. Für die Mikrozensus-Erhebung, die Grundlage für das Datenmaterial ist, gilt diese „engere Definition“, so Marik-Lebeck, auch wenn sie nicht allumfassend ist.

Doch nicht überall ist die UNECE-Definition Maßstab. Wenn etwa in Deutschland von Menschen mit Migrationshintergrund die Rede ist, sind auch Angehörige der dritten Generation gemeint. Gerade weil Migration zum Mittelpunkt zahlreicher Debatten avanciert ist, sind akkurate Fakten unentbehrlich geworden. Die Statistik Austria wird auch weiter Zahlen und Fakten über Migranten der ersten und zweiten Generation bereitstellen. Weitere Generationen in die Definition von Migrationshintergrund hineinzunehmen sei „wenig sinnvoll“. „Das ist eine Grundsatzentscheidung“, sagt Marik-Lebeck. Zwangsläufig wären weitere Generationen nur schwer zu fassen und letztendlich würde die Aussagekraft darunter leiden. „In 100 Jahren hätte dann jeder Migrationshintergrund.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2010)

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