Morgenglosse

Die ÖVP und ihre Doppelmoral

Der Parteiausschluss Thomas Schmids hat einen bitteren Beigeschmack. Die Verurteilung von Jürgen Höckner wegen Vergewaltigung war dem Ethikrat bisher keine Beratung wert. Wieso eigentlich?

Als „vorbildhafte Pionierfunktion“ bezeichnet der ÖVP-Ethikrat seine eigene Tätigkeit - und blieb damit seit 2012 ohne Nachahmer in der Parteienlandschaft. Er zielt auf die Einhaltung „ethischer Spielregeln“ aller Funktionäre ab. Weil Thomas Schmid diese wiederholt gebrochen habe, empfiehlt das Gremium nun dessen Parteiausschluss.

Die Diskussion um das Fehlverhalten eines anderen Ex-ÖVP-Politikers blieb gleichzeitig unter der Wahrnehmungsgrenze. Damit bekommt auch das Prozedere zu Schmid einen bitteren Beigeschmack. Denn Jürgen Höckner, Ex-Landtagsabgeordneter und -Bürgermeister in Oberösterreich, hat es bis zuletzt noch nicht in die Beratungen des Ethikrats geschafft. Zur Erinnerung: Höckner wurde, inzwischen rechtskräftig, für dreifache Vergewaltigung, zweifachen sexuellen Missbrauch und Verleumdung seiner Amtsleiterin verurteilt. Ende Oktober wurde das Urteil vom OGH bestätigt.

Was seither folgte, waren Relativierungen und Ausflüchte, jedenfalls keine offizielle Distanzierung oder eine Absichtsbekundung zur Aufarbeitung. Im Gegenteil. In Höckners Heimatort wurden Solidaritätsbekundungen veranstaltet, Ende Oktober (kurz vor der OGH-Bestätigung) verlieh ihm das Land Oberösterreich gar eine Ehrenurkunde für dessen Verdienste rund um die regionale Entwicklung. Landesrätin Michaela Langer-Weninger (ÖVP) verteidigte die Auszeichnung zunächst, auf öffentlichen Druck hin gestand sie eine „verheerende Optik“ ein. Seniorenbund-Chef und Ex-Landeshauptmann Josef Pühringer tat das nicht: Im Interview mit der „OÖN“ sah er Anfang der Woche noch keine Notwendigkeit, Höckner aus dem Seniorenbund auszuschließen. Dessen Mitgliedschaft sei ohnehin ruhend gestellt. Inzwischen aber dürfte sich das geändert haben: Auf „Presse“-Nachfrage bei der Landes-ÖVP hieß es am Donnerstag, dass Höckner „nicht mehr Mitglied“ der Landespartei und ihrer Teilorganisationen sei.

Schlimm genug, wenn erst das Strafrecht die Richtschnur vorgeben muss. Umso schockierender ist es allerdings, wenn nicht einmal das für Konsequenzen ausreicht. Wo bleibt die parteiinterne Debatte über Höckner, die Diskussion, die Distanzierung? Wer einerseits harte Law-and-Order-Politik propagiert, wenn es um (sexuelle) Gewalt von Männern mit Migrations- oder Asylhintergrund geht, sich gleichzeitig aber schützend vor die eigenen Mitglieder stellt, wenn sie wegen Sexualdelikten verurteilt werden, macht sich unglaubwürdig. Das gilt nicht nur für den Ethikrat, sondern die gesamte ÖVP.

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