Trotz Rekordpreises: Zu wenig Geld für Gold

Trotz Rekordpreises wenig Geld
Trotz Rekordpreises wenig Geld(c) REUTERS (PETAR KUJUNDZIC)
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Wer geerbten Schmuck oder Münzen aus Gold zu Geld machen will, sollte sich vorher gut informieren. Sonst droht ein Preisabschlag von bis zu 60 Prozent, warnt der Verein für Konsumenteninformation.

Wien/Hie/Ker. Die Kette der Urgroßmutter, die nicht mehr gefällt, oder die Münzen, die in bar längst viel mehr wert sind: Steigt der Goldpreis, versuchen nicht nur professionelle Investoren daraus Kapital zu schlagen. Auch der Durchschnittskonsument bringt seine „Schätze“ gerne zu Juwelieren, Münzhändlern oder Scheideanstalten – und wird in vielen Fällen „geschröpft“, wie der Verein für Konsumenteninformation (VKI) kritisiert. Einige Händler zahlen den Konsumenten nämlich nur einen Bruchteil dessen, was die Tauschobjekte tatsächlich wert wären. Das geht aus einem Test des VKI hervor, der 16 Ankaufsstellen untersucht hat. „Ein hoher Goldkurs bedeutet nicht automatisch einen hohen Verkaufspreis“, sagt Franz Floss, der die Untersuchungen für den VKI leitet.

Im schlimmsten Fall, so heißt es in der Untersuchung, bekam man für ein Schmuckstück im Wert von 1900Euro nur 748Euro ausbezahlt. Das entspricht einem Preisabschlag von 60Prozent. Die Testsieger boten hingegen einen Wert nahe dem Tageskurs.

Laut Floss lassen sich gerade jene Haushalte mit schlechten Preisen abspeisen, die sich kurzfristig schnelles Geld erhoffen. „Viele haben keine Ahnung, wie der Goldkurs gerade steht. Man sollte auf jeden Fall den Feingehalt sowie den aktuellen Tageskurs selbst bewerten, bevor man zum Händler geht, empfiehlt Floss.

Hoher Preis lockt Verkäufer

Die Österreichische Gold- und Silberscheideanstalt (Ögussa) belegt im Ranking des VKI den dritten Platz. Der aktuelle Ankaufspreis ist auf der Ögussa-Homepage jederzeit einsehbar und galt im Test des VKI als Richtwert. „Wir wechseln den Goldkurs üblicherweise zweimal, manchmal bis zu fünfmal am Tag“, sagt Ögussa-Geschäftsführer Marcus Fasching. Die Menschen seien sehr sensibel, was den Goldpreis betrifft: „Immer wenn der Goldkurs einen Sprung nach oben macht, dann kommen am nächsten Tag mehr Leute. Das war schon vor der Krise so.“ Am häufigsten werde alter Schmuck gebracht. „Ich schließe aus, dass es sich dabei um Menschen handelt, die dringend Geld brauchen. Die Menschen wollen einfach den hohen Kurs ausnutzen“, so Fasching.

Karl Höfinger, Inhaber der gleichnamigen Scheideanstalt in Wien, kennt viele Arten von Kunden: „Zu uns kommt der honorige Arzt, der einfach nicht weiß, was er mit seinem Schmuck anfangen soll. Aber genauso der Durchschnittsbürger, der morgen seine Miete zahlen muss und dringend Geld benötigt“, sagt Höfinger. 15 bis 25 Kunden kommen pro Tag. Sie bringen Goldschmuck, der nicht mehr modern ist, Münzen, aber auch Zahngold, sagt Höfinger. „Das geht von Erbschaften bis hin zum Ehering, der nach der Scheidung nicht mehr benötigt wird.“ Höfinger zahlt grundsätzlich drei Prozent mehr, als die Ögussa bietet. An Tagen, an denen der Goldkurs fällt, kämen weniger Menschen – „aber wenn die Zeitung berichtet, dass der Goldpreis gestiegen ist, dann ist das Aufgebot wieder größer“.

Große Nachfrage aus Indien

Im VKI-Ranking am schlechtesten abgeschnitten hat die Helvetia-International in der Wiener Taborstraße. Die Begutachterin habe am Verkaufspult mit dem Rücken zum Kunden gearbeitet – der Kunde könne so nicht auf die Waage sehen, kritisiert der VKI. Die Punzierung (Feingehalt) sei bei den VKI-Teststücken nicht eindeutig feststellbar gewesen, heißt es von der Helvetia-International.

Geht es nach Experten, können die Goldhändler schon auf den nächsten Kundenansturm hoffen: Denn die Konsumenten tendierten immer dann zum Goldverkauf, nachdem der Goldpreis stark gestiegen ist. Und derzeit gibt es kaum eine Prognose, die nicht von stark steigenden Goldpreisen ausgeht.

Sogar Eugen Weinberg, Rohstoff-Analyst der Commerzbank und nicht bekannt für euphorische Prognosen, sieht aktuell keine Anzeichen dafür, dass der Goldpreis demnächst stark zurückgeht. „Der Optimismus bei Gold ist sehr stark, die Mehrheit der Anleger glaubt an einen Anstieg. Das ist normalerweise ein negatives Zeichen. Diesmal ist das anders, denn der steigende Preis zog zuletzt neue Käufergruppen an, die wiederum auf anziehende Preise hoffen. Das setzt eine Aufwärtsspirale in Gang.“ Die physische Nachfrage, besonders aus Indien, sei ungebrochen stark. „Das haben die Zahlen aus dem vierten Quartal gezeigt, die Käufer haben sich vom hohen Preis nicht abschrecken lassen.“

Auf einen Blick

Derzeit gibt es kaum eine Prognose, die nicht von einem steigenden Goldpreis ausgeht. Das könnte den Ankaufsstellen einen Kundenansturm bescheren. Der Verein für Konsumenteninformation hat 16 Gold-Ankaufsstellen getestet. Einige boten einen Preis nahe dem jeweils aktuellen Kurs, bei anderen lag der Preis um bis zu 60Prozent darunter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2010)


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