Kolumne

Unmoralische Traumjobs

Trotzdem Abheben zum Traumjob
Trotzdem Abheben zum Traumjob(c) Getty Images (pinstock)
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Auf zum Traumjob. Folge 44. Traumjobs fallen nicht vom Himmel, aber...

Ein Thema, welches viele Menschen bei der Jobauswahl umtreibt, ist die Frage, inwieweit der Beitrag, den sie beruflich leisten wollen, einen positiven Mehrwert für die Gesellschaft hat bzw. zumindest keine negativen Auswirkungen auf selbige zeitigt.

Wir alle kennen Branchen, die in unserer Gesellschaft mehr oder weniger angesehen sind. Helfende Berufe sind in diesem Ranking so gut wie immer an erster Stelle. Dazu zählen die Gesundheits- und Sozialberufe wie beispielsweise Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, Therapeuten, Coaches, Sozialarbeiter etc.

Aber auch Bildungsberufe wie Professoren, Pädagogen stehen in dieser Hinsicht hoch im Kurs, ebenso wie Feuerwehrleute oder seit einiger Zeit auch wieder Handwerksberufe. Auf der negativen Seite unseres Moralempfindens befinden sich Jobs in Branchen wie der Waffenproduktion, Tabakindustrie oder der Hochfinanz.

Diese Wirtschaftsbereiche werden vom Gros der Bevölkerung als unethisch gewertet. Aber lässt sich das tatsächlich so einfach kategorisieren sehen bzw. handelt der Mensch, der dort arbeitet wirklich unmoralisch?

Nur pflichtgeleitetes Handeln ist gut

Kant meint, dass nur der gute Wille von allen menschlichen Tugenden wirklich gut ist. Und alle Handlungen, die daraus abgeleitet entstehen, bringen zwangsläufig dann auch Gutes in die Welt und sind demnach moralisch.

Handlungen, die hingegen ursächlich auf unseren Neigungen oder Bedürfnissen fußen, bergen immer die Gefahr in sich, unmoralisch zu sein. Laut Kant ist einzig die Intention einer Handlung dafür ausschlaggebend, wie sie zu bewerten ist. Das oberste Gesetz zur Bewertung des Tuns ist der berühmte kategorische Imperativ. Es geht Kant allerdings lediglich um die Bewertung der Intention.

Was am Ende dabei rauskommt, ist für ihn zweitrangig. Angewandt auf die Berufswelt wäre somit jeder Job, der nicht ausschließlich aus gutem Willen getan wird, sondern weil der- oder diejenige damit Geld verdienen möchte oder ein ausgeprägtes Talent um seiner selbst Willen nutzt, automatisch unmoralisch.

Beziehungsweise lässt es sich schlicht und einfach nicht feststellen, mit welchen Hintergründen ein Mensch seiner gewählten Tätigkeit nachgeht. Die Verleihung von Geld, um damit Rendite zu erzielen, wäre demnach ebenso unethisch, egal ob damit die Möglichkeit geschaffen wird, dass jemand sich damit ein eigenes Geschäft aufbaut und selbst an Wohlstand hinzugewinnt. Mikrokredite würden also streng genommen ebenfalls darunter fallen.

In einem kapitalistischen System greift dieser sogenannte pflichtethische Bewertungsmaßstab wohl zu kurz. Zum einen, weil eben niemals wirklich überprüfbar ist, welche Intention einer Handlung tatsächlich zugrunde liegt und zum anderen durchaus erwünschte Entwicklungen als unmoralisch gelten würden.

Wenn man die Resultate im Blick hat

Eine andere Möglichkeit wäre es, nicht nur die Intention der Jobausübung ins Auge zu fassen, sondern sich nur auf die Resultate zu beziehen, die mit dem jeweiligen Tun gesellschaftlich erzielt werden. Unter diesem Gesichtspunkt kann laut einigen Friedensforschern selbst der Waffenproduktion ein gesellschaftlicher Nutzen abgewonnen werden.

Nämlich, weil diese angeblich zur Friedenssicherung beiträgt oder weil damit Freiheit erkämpft werden kann. Ebenso könnte man ja der Tabakbranche nachsagen, sie bringe, vorausgesetzt die Menschen würden hauptsächlich verantwortungsvoll konsumieren, Entspannung und Wohlbefinden in die Welt.

Selbstredend werden diese Branchen wohl trotzdem nie als moralisch empfunden werden, aber sie würden in der Moralskala wohl etwas weiter nach oben rutschen. Und nichtsdestotrotz existieren sie ja und sind Teil unserer Welt.

Bei allen philosophischen Überlegungen darf niemals vergessen werden, dass die Moral außerdem immer auch ein Kind des Zeitgeistes bleibt. Gerade die aktuelle Klimakrise wirft wieder ein neues Licht auf bisher durchaus akzeptierte Tätigkeitsfelder.

So ist ja bereits absehbar, dass in Zukunft so ziemlich alles, was mit CO2 Ausstoß direkt oder indirekt zu tun hat, in der gesellschaftlichen Akzeptanz absinken wird. Und Berufe in erneuerbaren Energien wird eine immense Aufwertung widerfahren.

Selbstredend kann nicht jeder von heute auf morgen seinen Job an den Nagel hängen und in einer Industrie anfangen, die jetzt mal gerade en vogue ist. Das leuchtet wohl dem radikalsten Klimaaktivisten ein. Was bleibt dem Einzelnen also übrig in Anbetracht so fundamentaler gesellschaftlicher Veränderungen, die immer schneller vonstatten gehen.

Einzelentscheidung versus fragende Haltung

„Eine Dorfgemeinschaft kann nur verändert werden, wenn du tatsächlich darin lebst“, sagte Michael Pichler, der sich mit seinem Zero Project Management der Verbesserung der Arbeitsbedingungen von eingeschränkten Menschen verschrieben hat, in einem Gespräch zu diesem Thema unlängst zu mir.

Naturgemäß bringt jeder Mensch, die ihm wichtigen Werte in den jeweiligen Kontext ein, in dem er tätig ist. Gemessen daran verblasst das Momentum einer Entscheidung für oder gegen einen Job bzw. eine Branche, sofern es diese Wahlmöglichkeit überhaupt gab.

Karrieren entwickeln sich ja nicht nur bewusst, sondern bei vielen führt eins zum anderen. Und die Chance, die vielleicht in einer Branche entsteht, hätte es ganz einfach anderswo nicht gegeben.

Deshalb ist es meines Erachtens nicht damit getan, sich nur bei der Entscheidung für einen Job oder eine Branche, die Frage der Moral zu stellen. Es geht ebenso darum, unsere tagtäglichen Handlungen und Intentionen zu kritisch zu hinterfragen. Dort, wo wir nun mal gerade sind. Und da empfehle ich meinen New/Outplacement-Kundinnen und -Kunden sich immer wieder folgende Fragen zu stellen und zwar:

  • Was ist die dahinterstehende Intention meiner Handlung?
  • Lässt sich aus einer Handlungsoption eine gewollte Maxime für alle Menschen ableiten?
  • Welche gesellschaftlichen Auswirkungen hat mein Tun letzten Endes?

Auf diese Art und Weise gelingt es Schritt für Schritt einen guten moralischen Kompass zu entwickeln und moralisches Handeln steigert nicht nur die Jobqualität, sondern bewahrt selbst Menschen in moralisch integeren Branchen vor der einen oder anderen Fehlentwicklung.

Gutes Gelingen!

Michael Hanschitz

Michael Hanschitz ist seit nunmehr 15 Jahren als New/Outplacementberater, Autor und Karrierecoach tätig. Er ist Gründer des Beratungsunternehmens Outplacementberatung (www.outplacementberatung.co.at) und Autor des Buches Menschen fair behandeln. Mit seiner Arbeit unterstützt er Menschen und Organisationen in schwierigen Veränderungsprozessen. Beraten mit Herz und Verstand lautet seine Devise.

Michael Hanschitz
Michael Hanschitz(c) Marek Knopp

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