Fahrbericht

Jeep: Ein Gladiator in voller Länge

Definitiv ungekürzt: Jeep Gladiator mit 5,6 Metern Länge.
Definitiv ungekürzt: Jeep Gladiator mit 5,6 Metern Länge.Jürgen Skarwan
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Zwischen Nutzwert und US-Folklore: Viel Raum für Projektionen im Jeep Gladiator.

"Was zeigt's es an ,Gladiator', wenn's ois ausseschneid's?"

Unvergessen der beim ORF hinterlegte (und definitiv nicht jugendfreie) Protest eines Filmfans, der beim ausgestrahlten Blut-und-Sandalen-Epos "Gladiator" das Fehlen der sozusagen g'schmackigen Szenen beanstandete (zum schunkeligen Nachhören auf YouTube).

In seiner Version als Auto kommt der Gladiator verlässlich in ungekürzter Länge: Knapp 5,6 Meter machen ihn in den USA zwar auch nur zum Midsize Pick-up Truck, aber immerhin zum weitaus längsten Jeep im Sortiment.

Nummer eins bei Stellantis

Bevor wir ihn uns genauer ansehen, ein Wort zu Jeep - mit 1,27 Mio. Stück im Vorjahr immerhin das meistverkaufte Label im multinationalen 14-Marken-Imperium von Stellantis. In Europa hat Jeep aus der Offroad-Nische in den Mainstream gefunden; für den hiesigen Geschmack konzipierte (und in Europa gebaute) Modelle helfen dabei ebenso wie die allgemeine SUV-Begeisterung, die dem Schöpfer des knorrigen Archetyps im Offroad-Fach (Claim: "Since 1941") sehr zupasskommt.

Zudem ist Jeep die internationalste Marke von Stellantis - man kennt sie auf der ganzen Welt, und das soll ihr noch deutliches Wachstum in den nächsten Jahren bringen. Entsprechend fehlen auch PHEV-Varianten nicht, und mit dem Avenger kommt im nächsten Jahr der erste rein elektrische Jeep auf den Markt.

Im Gelände rangiert der Gladiator nur geringfügig hinter den Offroad-Künsten des Wrangler.
Im Gelände rangiert der Gladiator nur geringfügig hinter den Offroad-Künsten des Wrangler.Jürgen Skarwan

Dessen technisch enge Verwandtschaft zu anderen Modellen aus dem Stellantis-Konzern ist freilich nichts, was den Gladiator kennzeichnet. Dieser ist ein Jeep von echtem Schrot und Korn, und wer darin die Offroad-Ikone Wrangler erkennt, sieht richtig: Zu weiten Teilen sind Wrangler und Gladiator baugleich, aber doch mit markanten Unterschieden. Neben der Ladefläche sind das vor allem die Abmessungen, die zu ganz anderen Proportionen führen und beim Gladiator, seitlich betrachtet, Assoziationen mit dem Humvee des US-Militärs ergeben.

Raumgreifende knapp dreieinhalb Meter Radstand erlauben die Funktion als Pritschenwagen, nicht aber eine geräumigere Fahrgastzelle, die für Erwachsene im Fond nur ausreichende, nicht großzügige Platzverhältnisse bietet. Aber ein völlig anderes Fahrverhalten, als man es vom Wrangler kennt: Mit aller Ruhe im Fahrgestell, ohne jede Stößigkeit der Federung schwebt es sich dahin, wenn man das bei einem Auto nah den 2,5 Tonnen Leergewicht sagen kann. Dass die Lenkung nicht als Präzisionsinstrument agiert, sondern eher der ungefähren Weisung der Richtung dient, liegt wohl in der Natur der Sache.

Urviech

Naturgemäß ist der Gladiator ein Fahrzeug, in das man nicht ein-, sondern über solide Trittbretter aufsteigt, ein bisschen wie Trucker, die ihr Cockpit erklimmen. Das gehört ebenso zum Jeep-Lifestyle wie das Wissen um höchste Einsatzbereitschaft im Gelände, die man dann und wann hoffentlich auch nutzen wird.

Nutzwert als Pritschenwagen: Für Ladegut bis zwei Meter Länge.
Nutzwert als Pritschenwagen: Für Ladegut bis zwei Meter Länge. Jürgen Skarwan

Mit Ladefläche ist das inzwischen ein markantes Unterscheidungsmerkmal auf dem Markt, gerade Ford mit dem Ranger und demnächst VW mit dem Derivat Amarok haben Vergleichbares im Sortiment. Ein Schalthebel neben dem Wahlhebel der Achtgangautomatik verwaltet im Gladiator die Offroad-Künste zwischen Hinterradantrieb für befestigte Wege und Allrad mit Geländeuntersetzung fürs Grobe. Es sind allein die Proportionen, die dem Gladiator etwas von den Fähigkeiten des Wrangler rauben.

Entsprechend patent die robuste Anmutung des wie erwähnt nicht sehr geräumigen Cockpits im Gladiator; das viele Hartplastik nimmt man gelassen, der Look suggeriert freilich nur, dass man alles auch mit Arbeitshandschuhen bedienen könnte. Die Dachelemente über Fahrer und Beifahrer lassen sich herausnehmen (tatsächlich auch Türen und Windschutzscheibe, für den Verkehr ist er dann allerdings nicht zugelassen).

Während der Wrangler bei uns ausschließlich als Plug-in-Hybrid 4xe angeboten wird, kommt der Gladiator noch als eines der letzten Urviecher: mit drei Litern großem V6-Diesel. Und der passt prächtig. Erwartungsgemäß kein Flüsterer, aber ein ehrliches Betriebsgeräusch emittierend, das zum Ganzen passt, kommt man mit gestreicheltem Gaspedal mühelos all seiner Wege, während die Leistungsreserven verblüffenden Sprints oder Schufterei im Anhängerbetrieb dienen.

Ein authentisches, rundum gut abgestimmtes und schlüssiges Auto, wenn der entsprechende Nutzwert gefragt ist - ausgenommen der Preis, der den Gladiator, zumal in Vollversion Overland, luxuriöse Höhenlagen erklimmen lässt.

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