Glaziologie

Das schrumpfende Forschungsfeld

Der Hintereisferner im Ötztal dient der Arbeitsgruppe Eis und Klima der Universität Innsbruck als Freiluftlabor.
Der Hintereisferner im Ötztal dient der Arbeitsgruppe Eis und Klima der Universität Innsbruck als Freiluftlabor. [ Rainer Prinz]
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In Deutschland wurde ein großer Gletscher als verschwunden erklärt, generell sind Eisflächen auf dem Rückzug. Was die Frage nach der Zukunft der Gletscherforschung aufwirft.

Die Glaziologie, die Lehre von Eis und Gletschern, wird entweder dem Fachgebiet Meteorologie oder Geografie zugeordnet. „Die Glaziologie beschäftigt sich vor allem mit der Quantifizierung von Gletscherveränderungen. Es werden also Daten erhoben, wie viel Eis jährlich hinzukommt oder abschmilzt“, erklärt Jan-Christoph Otto, Professor am Fachbereich Umwelt und Biodiversität an der Universität Salzburg. Um die Konsequenzen der Gletscherverluste kümmere sich diese Domäne weniger, da die veränderten Längen von Gletschern in Österreich vom Alpenverein erhoben und veröffentlicht würden. Rainer Prinz, Gletscherforscher und Mitglied der Arbeitsgruppe Eis und Klima am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck, stellt die Glaziologie breiter auf: „Sie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die Natur-, Bio- und Geisteswissenschaften berührt.“

Vielfältige Aspekte

Wer sich mit Gletschern beschäftigen möchte, kann dies aus physikalischer, meteorologischer, mathematischer, klimatologischer, ozeanografischer oder archäologischer Sicht angehen – und mit Vorbildung aus den jeweiligen Studien. Alle diese Studienrichtungen können mit entsprechenden Spezialisierungen Gletscher erforschen. An der Universität Salzburg ist es vor allem der Fachbereich Geografie, der sich mit Glaziologie beschäftigt: „Im Rahmen meiner Forschungsarbeiten werden Studierende der Geografie in dieses Thema eingebunden. Die Studierenden erlernen neben den theoretischen Grundlagen die Datenerhebung im Gelände. Dazu führe ich Übungen direkt am Gletscher durch, bei denen mit Vermessungsmethoden wie dem Laserscanner die Veränderungen der Gletscher, der Felswände oder des Gletschervorfeldes quantifiziert werden“, erläutert Otto. Auch die Geoinformatik an der Universität sei eingebunden, wenn es darum geht, Massenbilanzen zu erheben. Unter Massenbilanzen versteht man die Messung der Zu- und Abnahme von Gletschern. Geoinformatik wird an der Universität Salzburg als Fernstudium angeboten. Unter dem Titel „Unigis Professional“ erhält man nach anderthalb Jahren das Zertifikat zum akademischen Geoinformatiker, der Master of Science dauert zwei bis drei Jahre. Beide Varianten starten Anfang 2023.

Wechselwirkungen studieren

„An der Universität Innsbruck gibt es – weltweit vermutlich einzigartig – die Gelegenheit, Glaziologie in Kombination mit Atmosphärenwissenschaften zu studieren, und zwar als Schwerpunkt im Masterstudium Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften“, erklärt Prinz. Voraussetzung ist ein Bachelorabschluss in Atmosphärenwissenschaften, in Physik oder in Geo- und Atmosphärenwissenschaften. Das Masterstudium soll ein tiefgehendes Verständnis atmosphärischer Prozesse und deren Wechselwirkungen mit Land, Ozeanen, Eis und Biosphäre von der molekularen bis globalen Skala, von kurzlebigen Phänomenen wie Turbulenz und Gewitter bis zu langfristigen Klimaänderungen vermitteln.

Mit verschiedenen Teilaspekten der Glaziologie kann man sich auch an der Uni Graz beschäftigen. Vor allem in den Bachelor-Studiengängen Geografie und Umweltsystemwissenschaften mit Fachschwerpunkt Geografie werden Grundlagen vermittelt. „In den beiden Masterstudien ,Umweltsystemwissenschaften mit Fachschwerpunkt Geografie – Angewandte Mensch-Umwelt-Forschung‘ sowie ,Angewandte Physische Geografie und Gebirgsforschung‘ werden die Grundlagen weiter vertieft“, sagt Andreas Kellerer-Pirklbauer-Eulenstein, Senior Scientist am Institut für Geografie und Raumforschung. Er ist verantwortlich für die Gletschermessungen des Österreichischen Alpenvereins an der Pasterze. Vor allem das letztgenannte Masterstudium lege einen starken Fokus auf die Gebirgs-, aber auch Polarwelt.

Nicht nur in Deutschland sind Gletscher geschmolzen, auch Österreich musste sich bereits verabschieden: „Die ersten Gletscher sind in Österreich schon verschwunden, etwa der Südliche Pfandlschartenkees östlich der Pasterze. Allgemein kann man sagen, dass in den letzten rund 170 Jahren mehr als zwei Drittel der Gletscherflächen in Österreich verloren gegangen sind“, weiß Kellerer-Pirklbauer-Eulenstein. Auswirkungen auf das Berufsbild habe das nicht, weil man sich nie ausschließlich mit Gletscherforschung beschäftige: „Wenn einige Gletscher komplett verschwinden, ist auch keine Messung der Veränderungen mehr erforderlich. Die Auswirkungen der Gletscherschmelze beziehungsweise die Anpassung der Landschaft an die neuen Umweltbedingungen wird aber auch darüber hinaus noch Forschungsfragen aufwerfen“, sagt Otto.

Web: www.plus.ac.at, www.unigis.at,
www.geographie.uni-graz.at,
www.uibk.ac.at

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