Gastkommentar

Neues Kindschaftsrecht: Aufbruch oder Stagnation?

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Heute ist internationaler Männertag. Anlass, um über das Paradigma der Verzichtbarkeit von Vätern und die Folgen zu reden.

Der Autor

Anton Pototschnig (geb. 1963) ist seit über 30 Jahren als diplomierter Sozialarbeiter, Familiencoach sowie Lebensberater tätig. Er ist Obmann der Plattformen Doppelresidenz.at und Wir-Vaeter.at, einer überparteilichen Initiative für verantwortungsvolle Vaterschaft, die dafür eintritt, dass Eltern ihre Aufgaben gleichberechtigt leben.

Im Justizministerium wird seit zwei Jahren an der Vorbereitung eines neuen Kindschaftsrechts gearbeitet. Gewaltschutzeinrichtungen, Frauenorganisationen und Vätervertreter klagen über lange, für alle belastende Verfahren und Willkür auf professioneller Seite. Während Erstere hervorheben, dass Mütter und Kinder nicht ausreichend vor Gewalt geschützt werden, weisen Väter darauf hin, dass sie mit der Trennung ganz oder teilweise aus der Beziehung zum Kind gedrängt werden. Die Ursachen lassen sich in gesetzlichen Bestimmungen, einem Muttermythos einhergehend mit dem Paradigma der Verzichtbarkeit von Vätern und verfehlten Verfahrensabläufen ausmachen.

2013 legte das Gesetz fest, dass es nach der Scheidung für das Kind eine hauptsächliche Bezugsperson geben muss. Bereits 2015 setzte der VGH einen Kontrapunkt und legitimierte die Doppelresidenz. Mit dieser Widersprüchlichkeit erweiterte sich der Interpretationsspielraum für Richter:innen: Deren persönliche Haltung bestimmte mehr und mehr ihre Entscheidungen. Eltern klagen seitdem vermehrt über richterliche Willkürlichkeit.

Erzwungenes Ungleichgewicht

Ungeachtet dessen entscheiden sich zuletzt immer mehr Eltern für die Doppelresidenz und stoßen auf Probleme. Auch wenn sie sich einvernehmlich für eine gleichteilige Verantwortungsübernahme entscheiden, sind sie gezwungen, einen hauptsächlichen Aufenthalt festzulegen. Mit diesem ist unter anderem auch das Recht auf Bezug der Familienbeihilfe verknüpft. Das Gesetz zwingt Eltern damit in ein Ungleichgewicht. In einer so verletzlichen, von Instabilität und Unsicherheit getragenen Situation wie der Trennungsphase, ist dies alles andere als konfliktmindernd.

Völlig unberücksichtigt blieb bisher, dass Studien auf der ganzen Welt die Vorteile der Doppelresidenz für Kinder und Eltern eindeutig bestätigen. Aufgrund der klaren Sachlage ratifizierte 2015 die „Parlamentarische Versammlung“ des Europarates einstimmig die Resolution, dass die Doppelresidenz in allen Ländern zum Standard erhoben werden sollte. Nicht so in Österreich, wo diese Resolution bisher nicht umgesetzt wurde. Ein weiterer Punkt, der Konflikte fördert: Anstatt die gemeinsame Obsorge einfach aufrecht zu belassen, wird mit der Scheidung/Trennung der Kampf darum erst eröffnet. Väter fürchten, Elternteil zweiter Klasse zu werden. Mütter fürchten, in ihrem Entscheidungsspielraum eingeschränkt zu werden. Ein vermeidbarer Kampf beginnt. Das Kind mittendrin.

In Deutschland gibt es das automatische gemeinsame Sorgerecht seit 1998. Eine von Rot-Grün in Auftrag gegebene Studie zeigte: Die Angst, dass der jeweilig andere das Sorgerecht nur zu seinen Gunsten ausnutzen könnte, war unbegründet. Ganz im Gegenteil: Das gegenseitige Vertrauen wuchs, die Konflikte reduzierten sich und die Kooperationsbereitschaft verbesserte sich deutlich. In Österreich wird die Frage nach der rechtlichen Vertretung mit jeder Scheidung/Trennung und bei jeder unehelichen Geburt weiterhin aufgeworfen. Die ideologische Basis dafür ist hier zu finden: Bis in die 1970er-Jahre waren Frauen dem Willen ihrer Männer unterworfen. Die Gleichstellungsgesetze setzten dem endlich ein Ende. In Bezug auf das Kind aber kehrten sich die Verhältnisse um. Das zeigt sich z. B. darin, dass bis 2013 ein Vater nicht einmal einen Antrag auf gemeinsame Obsorge stellen durfte, wenn die Mutter dagegen war. Der Wille der Mutter war Gesetz. 2011 wurde Österreich daher vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Diskriminierung von Vätern verurteilt.

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