Junge Forschung

Ein Terminplaner für den Farbwechsel

Jazzgitarre oder Informatik? Am Ende zog es Felix Winter doch an die TU Wien und in die anwendungsorientierte Forschung.
Jazzgitarre oder Informatik? Am Ende zog es Felix Winter doch an die TU Wien und in die anwendungsorientierte Forschung. Die Presse/Clemens Fabry
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Der Informatiker Felix Winter hat intelligente Algorithmen für die Industrie entwickelt, die eine Basis für kosten- und zeitsparendes Lackieren von Autoteilen bilden.

Wer schon einmal ein Auto auf der Internetseite eines Automobilherstellers konfiguriert hat, weiß, wie einfach das ist. Mit einem Mausklick kann das Fahrzeug in vielen Farben dargestellt werden. Gefällt Blau nicht, wechselt man auf die Metalliclackierung, und schon schimmert einem das Fahrzeug seiner Träume verführerisch entgegen. Was virtuell so einfach geht, ist in der industriellen Fertigung allerdings mit erheblichem technischem und logistischem Aufwand verbunden. Der an der TU Wien am Institute of Logic and Computation forschende Informatiker, Felix Winter, weiß, mit welchen komplexen Aufgaben die Industrie dabei konfrontiert ist. Er hat in seiner Dissertation am Christian-Doppler-Labor für Künstliche Intelligenz und Optimierung in Planung und Scheduling komplexe Algorithmen für Zeitpläne bei Produktionsprozessen für Autolackieranlagen entwickelt. Dafür zeichnete ihn die TU Wien im Oktober mit dem Ressel-Preis aus.

Autoproduzenten haben's eilig

Damit bei den Lackierabläufen zum einen die Flexibilität und zum anderen die zeitliche und kostentechnische Effizienz gewahrt bleiben, hat Winter erstmals neue Algorithmen angewendet. Sie basieren auf einer Kombination von exakten mathematischen und logischen Methoden, wie auch auf Heuristiken – Näherungen – aus der Informatik. „Je nach Problemfall wählt man einmal die eine oder die andere Methode“, schildert er. Den Algorithmus als eierlegende Wollmilchsau gebe es nicht. Deshalb brauche es intelligente Ansätze, um die passenden Untersuchungsmethoden zu finden: „Man muss sich vorstellen, dass bei jedem Farbwechsel mehrere Spülvorgänge notwendig sind. Das bedeutet aber Zeit- und Kostenaufwand. Man spricht dann von sogenannten Rüstkosten.“ Warum werden die Farben nicht hintereinander abgearbeitet, um die Farbwechsel zu reduzieren? „Autoproduzenten müssen ,just in time‘ produzieren. Sie haben unterschiedliche Lieferzeiten von vielen Auftraggebern einzuhalten, sodass dann eine gewisse Flexibilität mit häufigen Farbwechseln erforderlich ist“, erläutert der Wissenschaftler.

„Im ersten Schritt habe ich bei meinem Dissertationsprojekt eine Komplexitätsanalyse durchgeführt und das Problem in eine mathematische Form gebracht. In einem weiteren Schritt fragt man sich dann, wie man das alles lösen und anwendungstauglich umsetzen kann“, sagt Winter. Weil das Thema mit seinen vielen einzelnen Parametern so komplex sei, habe er es erst in Teilprobleme zerlegt, um dafür Lösungsansätze zu finden. Danach könne man die einzelnen Themenfelder wieder zusammensetzen und als Ganzes lösen, erzählt der Forscher.

Eines dieser Teilprobleme sei das Analysieren von Sequenzen der Trägereinheiten, das sind Vorrichtungen, die Karosserieteile wie Kotflügel oder Ähnliches tragen und an den Lackierstationen – ähnlich einer Fließbandfertigung – vorbeibewegen. „Solche Sequenzen aus unterschiedlichen Trägereinheiten kann man sich wie Buchstabenketten vorstellen“, erklärt Winter. Ziel sei es, bei jedem Wechsel der Trägereinheiten ein Übereinstimmen möglichst identer Buchstabenketten zu erreichen. In der industriellen Praxis habe das den Vorteil, die Rüstkosten zu reduzieren. Der daraus abgeleitete Algorithmus konnte zudem bereits in der Bioinformatik zum Aufspüren von DNA-Ketten eingesetzt werden. Der Nutzen von fächerübergreifenden Erkenntnissen aus Winters Dissertation ist ein entscheidender Punkt für die Verleihung des Ressel-Preises gewesen. In den kommenden Jahren möchte der Universitätsassistent auf jeden Fall in der anwendungsorientierten Forschung an der TU Wien bleiben.

Winter ist neben seiner wissenschaftlichen Karriere passionierter Musiker. Er besuchte parallel zu seinem Informatikstudium ein Musikkonservatorium für Jazzgitarre und überlegte sogar, die Informatik an den Nagel zu hängen und – wie sein Vater – Musiker zu werden. „Ich habe dann aber gespürt, dass es mich doch eher zur Informatik zieht und das meine berufliche Bestimmung ist. Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt“, meint er schmunzelnd.

Zur Person

Felix Winter (32) schloss 2016 an der TU Wien sein Informatikstudium ab. 2019 absolvierte er an der Monash University in Melbourne, Australien, einen Forschungsaufenthalt. Er promovierte 2021 bei Nysret Musliu an der TU Wien. Im Oktober 2022 wurde er für die Entwicklung von Algorithmen für die Erstellung von Zeitplänen in der Industrie mit dem Ressel-Preis seiner Uni ausgezeichnet.

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