Fußball

Italiens hausgemachte Misere

Dolce Vita war einmal: Marco Verratti und Co. sind wieder nur WM-Zuschauer.
Dolce Vita war einmal: Marco Verratti und Co. sind wieder nur WM-Zuschauer. [ Reuters/Guglielmo Mangiapane]
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Auf die Squadra Azzurra wartet ein demütigendes Gastspiel in Wien. Aber nicht nur im Calcio, auch in anderen Lieblingssportarten der Tifosi gibt das Land gerade keine „bella figura“ ab.

Steckt Italiens Sport in der Krise? Immerhin hat Ferrari verlernt, wie man Formel-1-Rennen gewinnt, der Skiauftakt in Sölden wurde zum Debakel, beim Giro d'Italia fahren die Italiener hinterher, und am Sonntag (20.45 Uhr, ORF1) muss die Squadra Azzurra auch noch zum bedeutungslosen Länderspiel gegen Österreich im Happel-Stadion antanzen – der Gipfel der Demütigung, während zeitgleich in Katar schon wieder eine Fußball-WM ohne Italien angepfiffen wird. Der Sport bei den südlichen Nachbarn macht gerade keine „bella figura“, zumindest nicht in den großen Sportarten, für die die Tifosi so brennen.

Oder ist es nur eines dieser Formtiefs, nicht unüblich in der Sportwelt? Schließlich baut Ferrari nach wie vor eines der schnellsten Formel-1-Autos. Schon bald könnten Italiens Skidamen die aktuelle Herrenmisere (bester Italiener in Sölden war Giovanni Borsotti als 28.) überstrahlen. Und trotz der historischen Giro-Durststrecke vor sechs Jahren ohne Heimsieg sieht die Zukunft des „ciclismo“ dank vieler Talente nicht so düster aus.

Mancinis Dilemma

Das aktuelle Tief der italienischen Fußballnationalmannschaft aber ist nach erneut verpasster WM kein Zufall mehr. Denn statt das vorhandene Potenzial (EM-Titel 2021!) zu nutzen, wurde mit einer Play-off-Heimniederlage gegen Nordmazedonien erneut eine WM verpasst. Vor vier Jahren war man ganz ähnlich gegen Schweden gescheitert. Und fuhr Italien in jüngerer Vergangenheit doch einmal zu einer WM-Endrunde, wie 2010 und 2014, war bereits nach der Gruppenphase Endstation.
Der Absturz hat auch viel mit dem Niedergang der Serie A zu tun. Als AS Roma heuer die drittklassige Conference League gewann, war es der erste Titel des italienischen Klubfußballs seit zwölf Jahren. Die baufälligen Stadien, Spielmanipulationen und finanzielle Fehlentscheidungen haben die Liga und mit ihr auch das Nationalteam nach unten gezogen.

Doch statt gemeinsam für ein italienisches Comeback zu arbeiten, hat die Liga wenig übrig für die Nationalelf. Das Ansuchen, die Ligaspiele zu verlegen, um Teamchef Roberto Mancini vor dem alles entscheidenden WM-Play-off mehr Zeit mit seiner Auswahl zu verschaffen, wurde abgelehnt. „Das Nationalteam wird als Ärgernis gesehen und nicht als etwas, was ein Land vereinen kann“, ärgerte sich Verbandschef Gabriele Gravina. Bestes Beispiel ist Torjäger Ciro Immobile (Lazio), der zuletzt wegen Streitereien zwischen Klub und Verband über seinen Verletztenstatus nicht zur Nations League nach Ungarn reisen konnte.
Teamchef Mancini kritisiert die Klubs vor allem dafür, lieber auf teure Legionäre als auf junge Italiener zu setzen. Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als den Teenagern eben im Nationalteam Spielpraxis zu verschaffen. Das richtige Gespür scheint Mancini zu haben. 2018 etwa nominierte er den damals 19-jährigen Nicolò Zaniolo, ohne dass dieser zuvor in der Serie A gespielt hatte. Inzwischen gilt Zaniolo (Roma) als einer der Besten der Liga.

Lieber eine Tanzshow

Neuestes Mancini-Experiment ist Simone Pafundi. Der 16-jährige Angreifer (Udinese) debütierte am Mittwoch gegen Albanien (3:1); in der Serie A hat er erst einen 22-minütigen Kurzeinsatz absolviert. „Er kann ein großartiger Spieler werden“, meinte Mancini, dem bereits ein ausgeprägter Jugendwahn nachgesagt wird. Rund um Giorgio Scalvini, 18, Wilfried Gnonto, 19, Zaniolo, 23, Giacomo Raspadori, 22, Gianluca Scamacca, 23, und Federico Chiesa, 25, will er eine neue Siegergeneration aufbauen.

Nur fraglich, ob Italiens Klubs bei diesem Umbruch mitspielen. Sie hoffen auf die italienische Bewerbung für die EM 2032, die eine Chance wäre, die Stadien und die Fußballinfrastruktur im Land wieder auf Vordermann zu bringen.

Auf die Squadra Azzurra aber wartet fürs Erste das Gastspiel in Wien. Es zeigt auch, wie schlimm es um Italiens Nationalteam nach der erneut verpassten WM bestellt ist: Der Verband wollte die Partie vorverlegen, um nicht am Tag des WM-Eröffnungsspiels antreten zu müssen. Doch die öffentlich-rechtliche RAI winkte ab. Dort will man am Samstagabend lieber „Dancing with the Stars“ zeigen.

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