Literatur

Der Kaiser spielt lieber Minigolf

Vom Maronibrater bis zum Bundeskanzler: Egyd Gstättner nimmt sich in seinem Erzählband ganz Österreich vor.

Was geschieht dieser Tage eigentlich im vormals kaiserlichen Lustschloss Schönbrunn? Historisch betrachtet, ist der seit Mitte des 16. Jahrhunderts im Besitz der Habsburger befindliche und 200 Jahre später unter Maria Theresia zu einer Sommerresidenz umfunktionierte Prunkbau – als ursprünglich in Zuckerlrosa geplante Zurschaustellung der Regentschaftsopulenz – heute bekanntermaßen vor allem eine für den österreichischen Tourismus nicht zu verachtende Sehenswürdigkeit. In literarischer Hinsicht lässt sich hier aber so einiges anstellen, insbesondere in politisch toll gewordenen Zeiten.

„Zurück ins Märchenreich!“, exklamiert die Stimme in Egyd Gstättners Erzählband „Ich bin Kaiser“, in dem in der titelgebenden Geschichte ein gewisser Kevin Kai Trotta, Sohn eines Maronispezialisten aus dem ehemaligen Jugoslawien, als neuer Kaiser von Österreich kurzerhand die „Ohnmacht“ übernimmt. Im Vorfeld ist die demokratische Republik unter der Last mehrerer Korruptionsskandale und Kurzzeitkanzler einfach zerbröselt. Nachdem Trotta den „Kaiser“ zuerst im Fernsehen parodiert hat – wo er natürlich auch auf die „richtigen“ Leute trifft –, liest er die Brösel auf und zieht schlussendlich – und das ist nur konsequent – als Vollzeitkaiser ein in die musealen Räumlichkeiten, deren Patina er nun den Glanz des 21. Jahrhunderts verleiht. Und das Volk liebt seinen Kaiser! Denn schließlich braucht es eine (zumindest) schöne Vorbildfigur bei all der Verkommenheit. Es sehnt sich nach der Mär des Ritters von edler Gestalt, ein weißer Schimmel komplettiert das Bild der Allegorie der Blauäugigkeit.

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