Roman

„Die drei Hochzeiten von Manolita“: Liebe in Zeiten der Angst

Almudena Grandes war eine der bekanntesten Autorinnen Spaniens. Sie starb vor einem Jahr.
Almudena Grandes war eine der bekanntesten Autorinnen Spaniens. Sie starb vor einem Jahr. Ivan Giménez / Tusquets Editores
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Almudena Grandes erzählte in ihrem großen Roman „Die drei Hochzeiten von Manolita“ von den vielen Tragödien vor, während und nach dem Spanischen Bürgerkrieg.

Manolita soll heiraten. Wie so oft in der Geschichte spielt die Liebe dabei keine Rolle. Zweck dieser Hochzeit ist aber nicht, Staaten oder Reiche verwandtschaftlich zu verknüpfen oder Geld gegen Ansehen und Titel zu tauschen. Es geht um Handfesteres als Politik und Eitelkeit, nämlich um zwei Vervielfältigungsmaschinen. Die werden gebraucht, um damit Flugschriften aller Art herzustellen, etwa eine Broschüre zu Lenins „Die Aufgaben der revolutionären Jugend“. Leider kann keiner die Maschinen bedienen.

Der Spanische Bürgerkrieg ist geschlagen, Francos Faschisten haben die Kontrolle im Land übernommen und sind dabei, die Glutnester des Widerstands zu ersticken. Manolitas älterer Bruder Antonio versteckt sich bei seiner Freundin Eladia, Tänzerin und Star eines Flamencolokals in Madrid und – ein wenig ärgerlich – Anarchistin, während er selbst Kommunist ist. Manolitas Vater kommt ins Gefängnis und später auch ihre Stiefmutter. Die junge Frau muss sich um die jüngeren Geschwister kümmern, in einer Zeit, in der es keine Arbeit gibt, und wenn doch, dann ist es elende Schufterei um einen Hungerlohn.

Nachdem Manolitas Stiefmutter verhaftet worden ist, wird die Familie delogiert, haust in einem Abbruchgebäude ohne Strom und Gas. Manolita lässt sich von Antonio überreden, doch Botin für den kommunistischen Widerstand zu werden, obwohl sie das lang verweigert hat und sogar von seinen Freunden mit dem Spitznamen Señorita „Zählt-nicht-auf-mich“ bedacht wurde. Ihre Aufgabe ist es, Nachrichten aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Dort ist unter anderen der schüchterne Silverio Aguado Guzmán interniert, den Manolita zum Schein ehelichen soll. Er ist für die Partei immens wichtig, denn er allein weiß, wie man die beiden Druckmaschinen bedient und wie man sie, wenn nötig, repariert.

Der breite Mensch. Der Mensch sei ihm zu breit, hat Fjodor Dostojewski einst geschrieben. Die vor einem Jahr verstorbene Almudena Grandes, die „Die Zeit“ als eine der wichtigsten spanischen Autorinnen der Gegenwart bezeichnet hatte, schien diese Breite mühelos zu umfangen. Immer wieder hält man beim Lesen inne und staunt, wie tief und genau sie die menschliche Seele auslotet, jedes einzelne der zum Teil widerstreitenden Gefühle freilegt und ans Licht bringt, indem sie Stimmungen und Schwankungen in kunstvolle Sprache übersetzt.



Bestechendes literarisches Konstrukt. Es ist aber nicht bloß die Psychologie, mit der dieser Roman besticht. Es ist auch die Art und Weise, wie er gebaut ist. Neue Figuren werden eingeführt, als seien sie schon immer da gewesen, als wüssten wir längst, wer diese Person ist, etwa Rita, ein Mädchen an der Schwelle zur Erwachsenen, so alt wie Manolita selbst. Die beiden lernen sich kennen, als sie sich vor dem Männergefängnis anstellen, um ihre Verwandten zu besuchen. Auch Ritas Vater, ein Psychiater, ist politischer Gefangener. Selbst als er schwer krank wird, verweigert er die Kollaboration. Minutiös wird geschildert, wie die Frauen in endlosen Schlangen stundenlang vor dem Gefängnis ausharren, bis sie plötzlich wie auf Kommando losstürmen, um einen der begehrten Plätze direkt am Gitter zu erhaschen, sodass sie mit den Häftlingen reden, sie vielleicht kurz berühren können – Demütigung auf beiden Seiten des Zauns.

Sukzessive und an verschiedenen Stellen wird das Schicksal der Figuren im Roman ausgebreitet, wobei der Text auf Ereignisse zurückgreift, die Jahre vor der Erzählzeit liegen. Die Chronologie wird durchbrochen, die Zeit ist kein linearer Strahl, an dem sich die Begebenheiten aufhängen. Vergangenes und Gegenwärtiges liegen nebeneinander wie Teilchen, die durch zwei enge Spalten gezwängt werden und, obwohl sie voneinander entfernt sind, auf magisch anmutende Weise miteinander kommunizieren. Dennoch wirkt der Roman nicht fragmentiert. Die Geschichten dieser vielen Menschen werden zur großen Geschichte zusammengefügt, der Tragödie vor, während und nach dem Spanischen Bürgerkrieg.

Neu erschienen

Almudena Grandes
Die drei Hochzeiten von Manolita

Übersetzt von Roberto de Hollanda
Hanser Verlag
670 Seiten
30,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2022)

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