Polen–Deutschland

Warschau im Dauerclinch mit dem großen Nachbarn

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Die polnische Regierung lässt keine Gelegenheit aus, um über die deutsche Politik zu maulen. Was verspricht sie sich davon?

Außenpolitisch hat es die Bundesrepublik Deutschland nicht leicht: Agiert Berlin besonnen, umsichtig und zurückhaltend, kommt sofort der Vorwurf der Führungsschwäche, Hilflosigkeit, ja Feigheit. Tritt Berlin in der Außenwelt hingegen initiativ, souverän und selbstbewusst auf, kommt augenblicklich Kritik an der Überheblichkeit, Eigensinnigkeit und Hybris der Deutschen.

Größere und kleinere Nachbarn sind besonders sensibel, wie und wohin sich der deutsche Riese gerade bewegt – vor allem jene, die in der Vergangenheit schon einmal unter seine Räder geraten sind. Das ist normale historische Befindlichkeit: Kleinere Länder, die es mit dominanten Nachbarn zu tun haben, entwickelten stets Abwehrreflexe. Was Deutschland betrifft, ist die Renitenz nirgends so ausgeprägt wie in Polen.


Die Außenpolitik Berlins wird dabei in Warschau kritisiert, wie immer sie daherkommt. Ist sie zögerlich, heißt es, deutsche Untätigkeit sei mehr zu fürchten als deutsche Macht, wie der frühere Außenminister Radoslaw Sikorski erklärte. Formuliert Berlin hingegen Pläne zur Weiterentwicklung der EU, wie die jetzige Regierung von Olaf Scholz, donnert der starke Mann Polens, Jarosław Kaczyński, Deutschland wolle ein „Viertes Reich“ errichten. Kaczyński hatte schon immer eine antideutsche Schlagseite und seine Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hat er ebenfalls auf diesen Kurs gebracht.

Inzwischen lässt sein Ministerpräsident Mateusz Morawiecki keine Gelegenheit aus, um an der deutschen Politik herumzumaulen. Im August warnte er in einem Kommentar im britischen „Spectator“ davor, in der EU der Stimme Berlins und deutschen Vorschlägen zu folgen. Wörtlich: „Wenn Europa im selben Tempo und im selben Ausmaß Waffen an die Ukraine geliefert hätte wie Deutschland, wäre der Krieg schon längst mit einem totalen Sieg Russlands entschieden – und Europa stünde am Vorabend des nächsten Krieges.“

Im September erklärte der Premier in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, Deutschlands Energiepolitik habe Europa gewaltig geschadet, Berlin behandle Polen paternalistisch von oben herab und seine Untätigkeit bei der Militärhilfe für die Ukraine stelle den Wert des Bündnisses mit Deutschland infrage.

Die Kritik an der blauäugigen deutschen Politik gegenüber Russland und an der – insbesondere von der deutschen Exportwirtschaft forcierten – engen Partnerschaft mit Autokratien wie Russland, China oder Saudiarabien kommt nicht allein aus Polen. Dabei waren nicht nur die Deutschen von der naiven Vorstellung getrieben, dass der wirtschaftliche Handel auch in Diktaturen allmählich zu politischem Wandel führen werde. Aber Deutschland tut sich offenbar schwerer als andere Staaten, sich von diesem Irrglauben loszusagen, wie auch die jüngste Reise von Bundeskanzler Scholz nach China wieder zeigte.

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