Das Regime im Iran geht weiter brutal gegen die Bevölkerung und Unterstützer der Proteste vor. Es fallen weitere Todesurteile, Dutzende Kritiker werden festgenommen, darunter Prominente. Das iranische Militär greift offenbar Kurden im Nordirak an.
Im Iran ist erneut ein Angeklagter im Zusammenhang mit den Protesten zum Tode verurteilt worden. Das Revolutionsgericht in Teheran befand ihn für schuldig, "während der jüngsten Unruhen ein Messer gezogen" zu haben, "mit der Absicht zu töten, Terror zu verbreiten und die Gesellschaft zu verunsichern", wie die iranische Justizbehörde auf ihrer Internetseite Misan Online am Sonntag bekanntgab.
Es ist bereits das sechste im Zusammenhang mit den Demonstrationen verhängte Todesurteil. Der Iran wird seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von Protesten erschüttert. Die 22-Jährige war von der Sittenpolizei festgenommen worden, da sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll. Sie starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Aktivisten werfen der Polizei vor, Amini misshandelt zu haben.
Zwei Monate Wut: „Wir werden weitermachen. Bis zum Schluss.“
Zahllose Menschen im Iran gehen seit Wochen gegen das Regime auf die Straße. Frauen, Minderheiten, Arbeiter und Händler solidarisieren sich miteinander, sie skandieren „Frau, Leben, Freiheit“ und fordern nichts weniger als den Sturz des Systems, wie sie der „Presse am Sonntag“ erzählen. Stimmen aus einem Land in Aufruhr.
Prominente Kritiker festgenommen
Die iranischen Behörden bezeichnen die meisten Demonstranten als "Randalierer", die von ausländischen Mächten instrumentalisiert würden, und schlagen die Proteste mit aller Härte nieder. Auch gegen prominente Kritiker gehen sie dabei vor. So wurden etwa die Schauspielerinnen Hengameh Ghaziani und Katajun Riahi in Gewahrsam genommen, nachdem sie in der Öffentlichkeit ihr Kopftuch abgenommen hatten. Das berichteten iranische Staatsmedien am Sonntag.
Die 52-Jährige Ghaziani, eine vehemente Kritikerin des harten Vorgehens der Behörden, hatte am Samstagabend noch auf Instagram ein Video veröffentlicht, in dem sie ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit abnimmt. "Vielleicht ist dies mein letzter Beitrag", schrieb sie. "Was auch immer mit mir geschieht, ihr sollt wissen, dass ich bis zu meinem letzten Atemzug auf der Seite der iranischen Bevölkerung stehe."
Weitere Prominente aus Film, Sport und Politik wurden Misan Online zufolge von der Justiz vorgeladen. Unter ihnen ist demnach auch Yahya Golmohammadi, Trainer des Teheraner Fußballvereins Persepolis FC. Er hatte die Spieler der iranischen Nationalmannschaft dafür kritisiert, dass sie "die Stimme des unterdrückten Volkes den Behörden nicht zu Gehör bringen".
Massive Gewalt bei Protesten im Nordwesten
In den Kurdengebieten im Westen und Nordwesten des Irans haben sich laut Augenzeugen am Montag bürgerkriegsähnliche Szenen abgespielt. In den Städten Javanrud und Piranshahr gab es demnach heftige Auseinandersetzungen, wobei iranische Sicherheitskräfte wahllos auf Demonstranten geschossen haben sollen. Die Schilderungen aus den Kurdengebieten ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Bereits am Sonntag waren Sicherheitskräfte bereits hart gegen Demonstranten in der kurdischen Stadt Mahabad vorgegangen. Die Situation sei eskaliert, auch der Strom in der Stadt sei kurzfristig abgeschaltet worden. Bewohnern zufolge soll es mehrere Tote und Verletzte gegeben haben.
Die regierungsnahe Nachrichtenagentur Tasnim stellte die Situation anders dar: In der Nacht auf Sonntag hätten „bewaffnete Terroristen“ Privathäuser und öffentliche Einrichtungen in Brand gesetzt und die ganze Stadt und deren Einwohner in Panik versetzt. Mehrere Anführer der „Terrorgruppen“ hätten jedoch überführt und inhaftiert werden können, so der Tasnim-Bericht unter Berufung auf örtliche Sicherheitsbehörden.
Kurden im Nordirak angegriffen
Im Nordirak sollen unterdessen erneut iranisch-kurdische Oppositionsgruppen angegriffen worden sein. "Die Revolutionsgarden haben erneut iranisch-kurdische Parteien bombardiert", teilte der Anti-Terror-Dienst der autonomen Region Kurdistan im Irak mit, ohne Angaben zu möglichen Opfern zu machen. Die Demokratische Partei Iranisch-Kurdistans (DPKI) und die nationalistische, iranisch-kurdische Organisation Komala gaben an, dass ihr die iranischen Angriffe gegolten hätten.
Diese "wahllosen Angriffe" geschähen zu einer Zeit, in der "das iranische Terrorregime" nicht in der Lage sei, die anhaltenden Proteste im iranischen Kurdistan zu stoppen, twitterte die DPKI. Die staatliche irakische Nachrichtenagentur INA berichtete am frühen Morgen ebenfalls von "iranischem Raketenbeschuss und Drohnenangriffen", die auf "drei iranische Oppositionsparteien in Kurdistan" im Irak zielten.
(APA/AFP/Red.)