Prozess

Diversion im Untreue-Verfahren gegen ÖVP-Bundesrat Himmer

APA/ROLAND SCHLAGER
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Harald Himmer soll seine Befugnisse als Alcatel-Vorstand missbraucht haben. Bisher bekannte er sich nicht schuldig. Mitangeklagt sind Ex-Lobbyist Peter Hochegger und Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer.

Unerwartet rasch ist am Montag am Wiener Landesgericht ein Untreue-Prozess gegen den Wiener ÖVP-Bundesrat und Ex-Alcatel-Vorstand Harald Himmer zu Ende gegangen. Bisher streitete Himmer Zahlungsflüsse zulasten der Alcatel-Lucent Austria AG von insgesamt 244.800 Euro an den Ex-Lobbyisten Peter Hochegger vehement ab. Er übernahm für sein Verhalten nun Verantwortung. Sein Strafverfahren konnte daraufhin diversionell erledigt werden. Da er bei der Nationalratswahl 1990 mit dem Slogan "Bonzen quälen, Himmer wählen" um Stimmen geworben hatte, wird er auch als „Bonzenquäler“ bezeichnet.

Himmer erklärte sich nach Belehrung von Richterin Marion Hohenecker zur Zahlung einer Geldbuße von 11.500 Euro bereit. Im Gegenzug wird die gegen ihn gerichtete Anzeige vorerst zurückgelegt. Sobald die Geldbuße am Konto der Justiz eingelangt ist, wäre im Fall der Rechtskraft die Strafsache für den ÖVP-Politiker endgültig erledigt. Himmer würde damit weiterhin als nicht vorbestraft gelten. Staatsanwalt Bernhard Löw war mit dieser Vorgangsweise einverstanden. Der Anklagevertreter selbst hatte ihr den Weg geebnet, indem er schon in seinem Eröffnungsvortrag Himmer eine Diversion schmackhaft gemacht hatte.

Diversion noch nicht rechtskräftig

"Sollte Himmer Verantwortung übernehmen, wäre das aus Sicht der Staatsanwaltschaft ein klassischer Fall für eine Diversion", hatte Löw zu Beginn des Verhandlungstags erklärt. Der zur Anklage gebrachte Sachverhalt sei 15 Jahre her, Himmer habe sich seither wohl verhalten und sei gerichtlich unbescholten. Eine Diversion "würde die Sache vereinfachen. Aber es soll niemand etwas gestehen, was er nicht gemacht hat", sagte Löw.

Rechtskräftig ist die Diversion noch nicht. Da die Sache berichtspflichtig ist, benötigt die Staatsanwaltschaft Wien als weisungsgebundene Behörde formal noch die Zustimmung der übergeordneten Stellen. Es ist allerdings wohl davon auszugehen, dass der zuständige Staatsanwalt sein Vorgehen mit den übergeordneten Behörden akkordiert haben dürfte.

Die Anklage warf Himmer vor, als damaliger Manager der Alcatel-Lucent Austria AG seine Befugnisse missbraucht und das Unternehmen am Vermögen geschädigt zu haben.

„Das passt hinten und vorne nicht zusammen"

Himmers Verteidiger Rüdiger Schender hatte in seinem Eröffnungsplädoyer noch festgehalten, sein Mandant werde sich "nicht schuldig" bekennen: "Der Anklage kommt keine Berechtigung zu. Die Vorwürfe sind unrichtig." Die belastenden Angaben des Ex-Lobbyisten Peter Hochegger seien gleichermaßen unlogisch wie unschlüssig. Dieser hatte im Ermittlungsverfahren die inkriminierten Vorgänge gestanden. Auf diesen Angaben sowie zwei eingeholten Sachverständigengutachten basiert im Wesentlichen die Anklage.

Himmer habe Hochegger damals "nicht gut, nur oberflächlich" gekannt. Außerdem sei der Ex-Lobbyist seinerzeit "Berater des schärfsten Konkurrenten der Alcatel, nämlich von Huawei" gewesen. "Warum sollte Himmer ausgerechnet Herrn Hochegger ein kriminelles Angebot unterbreiten?", fragte sich Schender. Sein Fazit: "Das passt alles vorne und hinten nicht zusammen."

Himmer soll Scheinrechnungen vorgeschlagen haben

Als Beteiligungstäter an der Untreue mitangeklagt ist neben Hochegger auch der frühere Telekom Austria-Vorstand Rudolf Fischer. Laut Anklage trafen sich die beiden Ende 2007 mit Himmer im Wiener Hotel Intercontinental. Himmer soll dabei als Vorstandsvorsitzender der Alcatel-Lucent zunächst auf die jahrelange Zusammenarbeit mit der Telekom Austria AG beim Breitbandausbau und ein entsprechendes gemeinsames Budget für Marketing-Maßnahmen verwiesen haben. Alcatel war für die Telekom als Zulieferer für Lösungen im Bereich der XDSL-Technologie eingebunden. Von Himmer soll laut Anklage der Vorschlag gekommen sein, Hocheggers Firma Valora AG könne "Scheinrechnungen" über angeblich erbrachte Leistungen legen, die aus dem vorhandenen Budget für Schulungen, Seminare und Studien zu Produktneuentwicklungen bezahlt würden.

Tatsächlich erstellte die Valora in weiterer Folge eine "Studie zur Ausleuchtung des Marktumfelds der Telekom Austria" sowie eine "Studie Verbesserungspotenziale Investitionsklima im Festnetzbereich"“. Diese waren der Anklage zufolge nicht werthaltig. Ein Mitarbeiter Hocheggers habe dafür in wenigen Stunden bzw. in einem halben Tag brauchbar erscheinende Informationen gesammelt und zusammengeschrieben, wird in der Anklageschrift vermerkt. Staatsanwalt Löw präzisierte dazu in der Verhandlung unter Verweis auf ein Sachverständigengutachten, bei den vorgeblichen Studien habe es sich um "Strategiepräsentationen" gehandelt, "wofür nur ein geringfügiges Honorar, wenn überhaupt angemessen gewesen wäre".

17.500 Euro in Briefkuvert übergeben

Alcatel bezahlte allerdings für die erste Studie am 28. Dezember 2007 127.200 Euro, für die zweite am 12. Juni 2008 117.600 Euro. Vom Honorar der ersten Studie sollten - so der Vorwurf der Anklagebehörde - vereinbarungsgemäß Himmer und Fischer vor Steuer je 35.000 Euro und Hochegger 36.000 Euro erhalten. Hochegger, der sich im Ermittlungsverfahren geständig gezeigt hat, behauptet, er habe Himmer im Mai 2008 im Hotel Intercontinental in einem Briefkuvert 17.500 Euro übergeben. Fischer soll 10.000 Euro erhalten haben. Darüber hinaus will Hochegger ihm ein Gemälde um 7500 Euro gekauft haben. Himmer und Fischer haben das bisher entschieden bestritten.

Hocheggers Verteidiger Leonhard Kregcjk bekräftigte, sein Mandant werde vor Gericht ein umfassendes Geständnis ablegen: "Die Untreue-Vorwürfe sind richtig. Die Studien waren 'Schein-Studien'." Hochegger habe "das Geld an die Mitangeklagten verteilt". Zum Motiv meinte Kregcjk: "Das eigene Geldbörserl liegt einem immer näher."

Fischer bekennt sich nicht schuldig

Rudolf Fischer, mit dessen Beschuldigteneinvernahme im Anschluss an die Plädoyers begonnen wurde, bekannte sich "nicht schuldig". Die Studien habe Alcatel im Rahmen der Kooperation mit der Telekom für gemeinsames Marketing beauftragt. Er habe diese "nicht abgenommen und kontrolliert". Ihm sei es gar nicht "um die Papiere" gegangen, "ich weiß nicht einmal, ob ich sie angeschaut habe", gab Fischer an. Vielmehr hätten die Studien dazu dienen sollen, Hochegger mit einem längerfristigen Lobbying-Auftrag an Alcalel und Telekom zu binden, um deren Interessen in puncto Glasfaser-Ausbau voranzubringen bzw. durchzusetzen.

Selbst wenn Hochegger und Fischer am Ende des Verfahrens schuldig gesprochen werden sollten, "wird wahrscheinlich kein zusätzlicher Strafausspruch zu fällen sein", räumte Staatsanwalt Löw in seinem Eingangsstatement ein. Denn bei beiden wäre auf Vorverurteilungen Bedacht zu nehmen. Hochegger wurde in der Buwog-Affäre vor knapp zwei Jahren nicht rechtskräftig zu sechs Jahren Haft verurteilt. Fischer hatte im Verfahren gegen Karl-Heinz Grasser & Co - ebenfalls nicht rechtskräftig - ein Jahr teilbedingt ausgefasst.

Nebenstrang der Telekomaffäre

Fischer hat seinen Lebensmittelpunkt mittlerweile nach Thailand verlegt, wie er dem Schöffensenat bei der Befragung zu seinen Generalien darlegte. Er ist Pensionist, seinen Monatsbezug wollte er nicht preisgeben. Hochegger lebt eigenen Angaben zufolge mittlerweile als Pensionist im dritten Wiener Gemeindebezirk von 1050 Euro netto im Monat. Er befindet sich im Privatkonkurs.

Himmer wies sich als Unternehmensberater aus, abgesehen von seinem Verdienst als Bundesrat beziehe er derzeit kein sonstiges Einkommen, "weil ich mich auf dieses Verfahren vorbereitet habe", wie er dem Schöffensenat erläuterte. Zu seinem Vermögen befragt, meinte der ÖVP-Politiker: "Immobilien im Wert von 450.000 Euro."

Das Verfahren ist ein Nebenstrang der 2010 aufgeflogenen Telekom- bzw. Blaulichtfunk-Affäre. Vorerst sind bis zum 1. Dezember fünf Verhandlungstage angesetzt. Für Untreue mit einem Schaden bis zu 300.000 Euro sieht das Strafgesetzbuch bis zu drei Jahre Haft vor.

(APA)

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