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Ein Schiff namens "Menschliche Lasagne"

OZEANGIGANT.  Die Icon of the Seas wird 2024 als bislang größtes Kreuzfahrtschiff unterwegs sein.
OZEANGIGANT. Die Icon of the Seas wird 2024 als bislang größtes Kreuzfahrtschiff unterwegs sein. beigestellt
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Als Gäste der Icon of the Seas würden wir uns angesichts der Meinung Einheimischer verstecken.

Die Icon of the Seas, zukünftig weltgrößtes Kreuzfahrtschiff (ab 2024) in faszinierender Arche-Noah-Lunapark-Architektur, trägt aufgrund seiner 20  Stockwerke den Spitznamen „die menschliche Lasagne“. An die zehn­tausend Leute könnten sich an Bord des Ozeangiganten mit der noch nie erreichten Bruttoraumzahl von 250.800 tummeln, 7600 Passagiere (bei Doppelbelegung) und 2350 Crewmitglieder. Jüngst geisterten die ersten Renderings durch die Medien – computersynthetisierte Bilder aus Rohdaten. Die Menschen wirken wie Pizzabelag, ah nein, es ist ja Lasagne, eine bunte Lasagne mit sechs Rutschen und sieben Pools. Ein Bild – wenn man wie ich Wasserrutschen liebt –, gleichermaßen anziehend und abstoßend, ein Symbol für fehlgeleiteten Eskapismus-Tourismus, dessen Profite fern von lokalen Communities abgeschöpft werden.

Ist die Traumschiffindustrie ökologieschädigend?

Zu den Schwerölen, dem Ab- und Ballastwasser, der Korallen- und Meeresbodenzerstörung, zur wahnwitzigen CO2-Bilanz kommt die ungelöste Abwrackproblematik. Royal Caribbean, Betreiberin der fünf größten Kreuzfahrtschiffe auf den Weltmeeren, lässt sich Antinachhaltigkeit ungern nachsagen und unternimmt geschickte Pressearbeitsoffensiven im „Greenwashing“-Bereich. Immerhin wird die Icon of the Seas mit LNG-Naturgas betrieben und verfügt über eine verbesserte Wasseraufarbeitung. Dem Konzern selbst wurde in der jüngsten Umweltstudie von „Friends of the Earth“ trotzdem das ­Prädikat „schlecht“ verliehen.


Das Image der Branche ist auch abseits des halsbrecherischen ökologischen Preises kaputt, siehe Venedig, siehe Dubrovnik, siehe Überfütterung der Passagiere an Bord, die historische Städte befallen, ohne Relevantes zu konsumieren außer in China erzeugte Dreckssouvenirs. Als Gäste einer Kreuzfahrt, dem inneren Stockholmsyndrom verbunden, ignorieren wir das zwar, doch beim Rest der Menschheit sind wir denkbar unerwünscht. Wir würden uns unter den Casinotischen oder unter jenen in einem der Dutzenden Speisesäle unserer schwimmenden Lasagne verstecken, könnten wir die Meinung der Einheimischen über uns hören. 

("Die Presse Schaufenster" vom 18.11..2022)

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