Gerichtsentscheid

Schottland darf kein zweites Unabhängigkeitsreferendum abhalten

Mittwochvormittag vor dem Supreme Court in London. Das britische Höchstgericht erteilte den schottischen Nationalisten eine Absage.
Mittwochvormittag vor dem Supreme Court in London. Das britische Höchstgericht erteilte den schottischen Nationalisten eine Absage.APA/AFP/JUSTIN TALLIS
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Der Oberste Gerichtshof Großbritanniens hat entschieden, dass Schottland ohne Zustimmung der Regierung in London keine neue Volksabstimmung ansetzen darf. Beendet ist die Debatte damit aber nicht: Die schottische Regierungschefin sieht in den nächsten Unterhauswahlen ein „de facto Referendum".

Ein neues Unabhängigkeitsreferendum in Schottland ist in weite Ferne gerückt. Nötig sei dafür die Zustimmung der britischen Regierung, entschied das oberste britische Gericht am Mittwoch in London. "Das schottische Parlament hat nicht die Befugnis, ein Gesetz für ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zu erlassen", sagte der Vorsitzende Richter Robert Reed. Die Zentralregierung lehnt eine zweite Volksabstimmung ab.

Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, sagte Reed. Für das Gericht stehe eindeutig fest, dass es sich bei einem Gesetz über ein Unabhängigkeitsreferendum um eine Angelegenheit handle, die das ganze Land betreffe und deshalb außerhalb der Macht des Regionalparlaments liege. "Ein rechtmäßig abgehaltenes Referendum hätte wichtige politische Konsequenzen für die Union und das Parlament des Vereinigten Königreichs", sagte der Richter. "Es würde die demokratische Legitimität der Union und die Hoheit des Parlaments des Vereinigten Königreichs über Schottland entweder stärken oder schwächen." Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf sei daher mehr als nur eine lose Verbindung mit den Angelegenheiten, die der Zentralregierung vorbehalten sind.

SNP verspricht „de-facto-Unabhängigkeitsreferendum“

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hat angekündigt, die Entscheidung des Supreme Court anzuerkennen. Sie sei allerdings „enttäuscht“ - und machte klar, am Unabhängigkeitskurs festzuhalten. Das Gericht "macht kein Gesetz, sondern interpretiert es nur", schreibt sie dazu auf der Kurznachrichtenplattform Twitter. Ein Gesetz, dass es Schottland nicht erlaube, "unsere eigene Zukunft ohne die Zustimmung von Westminster zu wählen, entlarvt jede Vorstellung von Großbritannien als freiwillige Partnerschaft", schreibt sie dort. "In einer Demokratie kann und wird unsere Stimme nicht zum Schweigen gebracht."

Nicola Sturgeon, die schottische Regierungschefin, wollte die Bevölkerung erneut über ihre Unabhängigkeit abstimmen lassen. Durch den Brexit habe sich die Ausgangslage verändert, argumentiert sie.
Nicola Sturgeon, die schottische Regierungschefin, wollte die Bevölkerung erneut über ihre Unabhängigkeit abstimmen lassen. Durch den Brexit habe sich die Ausgangslage verändert, argumentiert sie.REUTERS

Die Schottische Nationalpartei (SNP) werde nun die für 2024 geplante britische Parlamentswahl als De-facto-Referendum führen, so Sturgeon. Sollten dann die Unabhängigkeitsbefürworter - zu denen auch die Grünen und die SNP-Absplitterung Alba gehören - eine Mehrheit erhalten, werde Sturgeon das Votum als Mandat für einen Austritt werten, kommentierte die BBC. Die Politologin Kirsty Hughes nannte den Schritt clever. Denn wenn tatsächlich eine Mehrheit der Schotten für diese Parteien stimme, steige der Druck auf London weiter.

Die Regionalregierung wollte nun, acht Jahre später, erneut darüber abstimmen.

Andere Experten halten Sturgeons Kurs hingegen für riskant. Der Meinungsforscher James Johnson twitterte: "Ich erwarte, dass dies ein Geschenk an Labour in Schottland ist. Die schottischen Wechselwähler haben das Referendumspalaver satt." Die Labour Party, die eine Unabhängigkeit ablehnt, hatte in Schottland einst regiert, aber in den vergangenen Jahren massiv Stimmen an die SNP mit ähnlichen sozialdemokratischen Positionen verloren. In Umfragen liegen das Ja- und das Nein-Lager seit langem in etwa gleichauf.

Brexit habe Ausgangslage verändert

Die schottische Regierung hatte den Supreme Court um Klärung gebeten, ob das Regionalparlament in Edinburgh ohne Zustimmung aus London ein Referendum einberufen dürfe. Sturgeon hatte eine solche "beratende" und nicht bindende Abstimmung für 2023 geplant. Bei einem ersten Unabhängigkeitsreferendum 2014 hatte sich eine Mehrheit von 55 Prozent für den Verbleib in der Union ausgesprochen. Für London ist die Frage seitdem entschieden. Sturgeon aber argumentiert, der Brexit, den die Schotten 2016 deutlich abgelehnt hatten, habe die Ausgangslage verändert. Sie will ein unabhängiges Schottland zurück in die EU führen.

"Das schottische Parlament hat nicht die Befugnis, ein Gesetz für ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands zu erlassen", erklärte der Vorsitzende Richter am Supreme Court, Robert Reed, am Mittwoch. Denn die Frage falle unter die Angelegenheiten, die der Zentralregierung vorbehalten seien. Regierungschefin Sturgeon sagte, sie sei jederzeit bereit, mit Sunak über eine Einigung für ein neues Referendum zu sprechen. Sie sei aber sicher, dass er ablehnen werde.

(APA/dpa/Red. )

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