Fußball-WM

Die politische Dimension eines WM-Trikots

Nationalspieler Jamal Musiala während des Spiels gegen Japan.
Nationalspieler Jamal Musiala während des Spiels gegen Japan.(c) IMAGO/SNA
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An dieser Fußball-WM ist alles politisch. Während sich Verbände mit unerwünschten politischen Botschaften den Unmut der Fifa einhandeln, erhebt jetzt eine Recherche Vorwürfe gegenüber dem DFB-Nachhaltigkeitsanspruch.

Er trägt sie nicht: Drei Tage nach dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM in Katar läuft Deutschland ins Khalifa International Stadium ein, um gegen Japan zu spielen. Kapitän Manuel Neuer, wie erwartet, steht ohne die „One Love“-Binde im Tor. Die Schleife mit der bunten Aufschrift, ein Zeichen gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie, wurde vom Fußballweltverband Fifa verboten. Politische Botschaften seien bei der WM unerwünscht, als Konsequenz wurde eine Gelbe Karte angedroht.

Jedoch nicht nur die Binde, auch das Trikot ist politisch. So musste etwa Dänemark das Wort „Love“ auf Fifa-Geheiß vom Trikot verbannen. Zuvor wurden bereits Trainingstrikots mit der Aufschrift „Menschenrechte für alle“ unterbunden. Auch das Auswärtstrikot der Belgier, das ebenfalls das Wort „Love“ in Regenbogenfarben am Kragen zieren sollte, erregte den Ärger der Fifa. Also musste es vor dem ersten Spiel entfernt werden.

Die politischen Dimensionen eines Kleidungsstücks beschränken sich aber keinesfalls auf dessen Aufschrift. So hinterfragt eine Investigativrecherche der deutschen Wochenzeitung „Zeit“ und des Journalismus-Start-ups „Flip“ jetzt auch den Nachhaltigkeitsanspruch des DFB-Shirts. Es wird immerhin nicht nur von Spielern in Katar getragen wird, sondern gilt als weltweiter Verkaufsschlager des Sportartikelherstellers Adidas.

Geschäft mit Plastikmüll

Die „Performance-Version“ dieses WM-Trikots ist im Handel um 140 Euro zu erstehen. Es besteht, anders als die Fanversion, die um 90 Euro zu haben ist, zu mindestens 40 Prozent aus recyceltem Plastik, das, so die Produktbeschreibung, „auf abgelegenen Inseln, Stränden und Küstenregionen gesammelt wird, um Meere nicht zu verschmutzen.“ Das Etikett verweist zusätzlich auf die auf den Malediven aktive Umweltorganisation „Parley for the Oceans“, mittels QR-Code ist außerdem ein gekonnt inszeniertes Werbevideo abrufbar, das Käuferinnen und Käufer am Plastiksammeln auf Malediven-Stränden teilhaben lässt.

Schon länger setzt Adidas öffentlichkeitswirksam auf den Kampf gegen Plastik, bis 2024 will das Unternehmen vollständig auf recyceltes Polyester umsteigen. Interne Dokumente des Unternehmens, so die Recherche, würden allerdings zeigen, dass nur 20 Prozent des Plastiks von „Parley for the Oceans“ stammen. Die restlichen 80 Prozent stammen aus der Dominikanischen Republik, Thailand, den Philippinen. Allesamt Länder, in denen das informelle Sammeln von Müll teilweise unter erbärmlichen Umständen, mitunter von Kindern, durchgeführt wird. In der offiziellen Unternehmensrichtlinie heißt es, bei Kinderarbeit gebe es „Null Toleranz“. Aber das Plastik? Es soll zur Gänze aus Thailand kommen.

Das Team der Niederlande hat angekündigt, WM-Trikots zugunsten von in Katar lebenden Arbeitsmigranten, auch sie sind ein heiß diskutiertes Politikum geworden, zu versteigern. Man hoffe, damit einen kleinen Teil zur Verbesserung der Situation beizutragen, sagt Oranje-Kapitän Virgil van Dijk. Die DFB-Shirts würden sich für eine solche Aktion wohl nicht anbieten. Die Investigativrecherche beweist: Ja, das Fußball-Trikot ist politisch und es zu tragen, herzustellen oder zu kaufen, läuft auch mit Verantwortung einher.

(chrima)

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