Morgenglosse

Orbáns Provokation: Er will ja nur spielen

Hungarian PM Viktor Orban delivers a speech for National Day, in Zalaegerszeg
Hungarian PM Viktor Orban delivers a speech for National Day, in ZalaegerszegREUTERS
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Ungarns Regierungschef sendet widersprüchliche Signale nach Brüssel und könnte nun ohne EU-Geld übrig bleiben.

Sprungpirouetten gehören zum politischen Handwerk des ungarischen Ministerpräsidenten. Er dreht sich in alle Richtungen, springt von einer Position zur anderen – und das nicht nur im Laufe seiner politischen Karriere vom Liberalen zum Rechtsnationalen. Aber jetzt war es vielleicht eine Windung, ein Sprung zu viel. Die EU-Kommission dürfte empfehlen, die Sperre von 13,3 Milliarden Euro an Förderungen aus dem EU-Budget und aus dem Covid-Wiederaufbaufonds für Ungarn beizubehalten. Geld, das das Land dringend benötigt. Zu unsicher ist die Verwendung der Gelder in einem Land geworden, dessen Rechtsstaat beschädigt und in dem eine (zu) lang regierende Führung in eine selbstgerechte, korrupte Autokratie abdriftet.

Eine von Viktor Orbáns Pirouetten in Richtung Brüssel hat zuletzt signalisiert, dass er für dieses Geld bereit ist, ein unabhängiges Gremium zur Untersuchung von Korruption einzurichten. Ein wichtiger Schritt, zweifellos. Zu wenig, heißt es allerdings aus der EU-Kommission. Ihr geht es darum, dass der Nepotismus konsequent in allen Bereichen bekämpft und eine Unabhängigkeit der Justiz generell durchgesetzt wird. 

Statt den restlichen Forderungen nach mehr Sauberkeit nachzukommen, vollzog Orbán eine weitere Drehung zurück und trat mit einem Großungarn-Schal auf. Wohl zum einen, um der eigenen Bevölkerung, die gerade eine wirtschaftliche Talfahrt – schlimmer als jene der EU-Partner – erlebt, historisches Selbstvertrauen einzuflößen. Zum anderen, um die Partner in der EU ein wenig zu provozieren. Was sollte sonst dieses Spiel mit Gebietsansprüchen in Österreich, der Slowakei, Rumänien, Kroatien, Slowenien, Serbien und der Ukraine, das lediglich in ultrarechten Kreisen Ungarns gut ankommt?

Wer Robert Menasses Roman „Erweiterung“ liest, wird die Parallele erkennen: Orbán wiederholt das Spiel des albanischen Premiers, Edi Rama, von 2018. Der signalisierte damals in Richtung Brüssel: Wenn ihr uns nicht rasch entgegenkommt, machen wir unseren eigenen großen Binnenmarkt – vereinen alle Albaner zum Großreich.

Es ist eine gefährliche Pirouette. Denn jetzt geht es nicht mehr um EU-Grundrechte wie das gleiche Recht jedes Bürgers vor Gericht, die Religionsfreiheit oder die Freiheit der sexuellen Orientierung. Es geht um eine Provokation, die Europas Grundwert infrage stellt: das friedliche Zusammenleben aller Staaten. Das weiß Orbán mit Sicherheit. „Er will ja nur spielen“, heißt es vielleicht im Kreis seiner Getreuen. Das sagen Hundebesitzer auch, wenn ihre Lieblinge gerade auf die Schultern eines fremden Passanten springen.

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