Mein Freitag

Wer die Brille nicht ehrt, ist des Novembers nicht wert

APA/dpa/Jörg Carstensen
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Die Welt sieht aus, als wäre man beschwipst. Ständig beschwipst.

Dieser Text sei Brillenträgern gewidmet, und zwar jenen, die wirklich schlecht sehen und nicht einfach Brillen als Accessoire tragen, weil sie so schön sind, dass sie sogar mit hässlichen Gestellen immer noch gut aussehen, was genau genommen eine Provokation ist. Sagen Sie nicht, es gibt ja auch Kontaktlinsen. Wer sich etwa in der Gleitsicht-Phase des Lebens befindet, wird mit ebensolchen Linsen bewusstseinsverändernde Momente erleben. Man sieht dann plötzlich weder in der Ferne noch in der Nähe scharf, und die Augenärztin hat milde lächelnd gesagt, das sei eben ein Kompromiss. Die Welt sieht aus, als wäre man beschwipst. Ständig beschwipst.

Der November ist der Königsmonat für Brillenträger. Sie seufzen aber nur im Stillen. Dabei sollte ihnen besonderer Schutz zukommen. In öffentlichen Verkehrsmitteln wird es besonders deutlich: Kaum eingestiegen, reißen sich die Bebrillten den Sehbehelf von der Nase, weil die Gläser beschlagen. Das liegt an den Temperaturunterschieden, und Masketragen, was die Vernünftigen ja tun, macht das Problem nicht besser. So stehen in einer durchschnittlich gefüllten Straßenbahn etliche Menschen herum, die kaum etwas sehen und irgendwie in sich gekehrt wirken. Draußen sorgen dann Regen und Nebelreißen für angetropfte Sicht.

Über das Phänomen des Auf-die-Brille-Setzens wurde hier schon berichtet, das ist ebenso weit verbreitet wie das Brille-Suchen, das ohne Brille ein bisschen so wie Topfschlagen ist. Ein Spaß für alle Zuseher. Bei uns in der Redaktion werden übrigens immer wieder einsame Brillen gefunden. Das liegt daran, dass die Alterssichtigen, die sich zu jung dafür fühlen, nach dem Lesen verstohlen die Brille von der Nase nehmen und sie dann vergessen. Wo überall schon Brillen aufgetaucht sind, werden Sie kaum glauben. Aber es gibt auch gute Seiten. So wie schon Adalbert im „Kleinen Nick“ wusste, sind Brillenträger selten in Schlägereien verwickelt. Das ist doch schon was.

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