Teuerung

ORF-Chef sieht "größte Finanzierungskrise der Geschichte" kommen

Mit 2024 kann er nicht mehr garantieren, dass die gesetzlichen Aufträge erfüllt werden, sagt ORF-Generaldirektor Roland Weißmann. Eine Neuregelung der ORF-Finanzierung muss bis Ende 2023 erfolgen.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann warnt vor einer der "größten Finanzierungskrisen" in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Medienhauses. Ab 2024 könne auf Basis des bestehenden Finanzierungsmodells die Erfüllung der gesetzlichen Aufträge nicht mehr garantiert werden, hielt er in einem Schreiben an die ORF-Stiftungsräte fest. Um gegenzusteuern, sei eine gesetzliche Neuregelung der Finanzierung bis Ende März 2023 nötig.

"Der ORF steht ab 2024 vor einer der größten Finanzierungskrisen in seiner Geschichte", so Weißmanns Botschaft an das oberste ORF-Gremium. Als Ursachen für die düstere Prognose führte der ORF-Chef "die extreme Teuerung, die explodierenden Energiekosten, Rückgänge bei den Werbeerlösen und die steigenden GIS-Abmeldungen" an. Die heuer in Kraft getretene Gebührenerhöhung von acht Prozent für die Jahre 2022 bis 2026 mache pro Jahr eine durchschnittliche Steigerung von 1,55 Prozent aus, rechnete Weißmann vor. Damit könne die derzeitige Inflation nicht wettgemacht werden.

Prognose 2024: ein Minus von 70 Millionen Euro

Für die Jahre 2022 und 2023 erwartet Weißmann noch eine ausgeglichene Bilanz. Gelingen soll das mit einem Paket, das etwa Sachkostenreduktionen, Energiesparmaßnahmen oder auch eine moderate Lohnrunde und Aussetzen der Pensionskassenbeiträge beinhaltet. Maßnahmen, die nicht direkt das Programm betreffen, dürften damit aber ausgeschöpft sein. Mit 2024 droht nun ein Einschnitt, der auch für das ORF-Publikum seh- und hörbar wäre.

Dem Vernehmen nach ist gegenwärtig ein Minus von 70 Millionen Euro für 2024, ein Minus von 90 Millionen für 2025 und Verluste in der Höhe von 130 Millionen Euro für 2026 prognostiziert - bei einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Allerdings sind noch keine Gegenmaßnahmen eingerechnet, die die Beträge zwar schrumpfen lassen, aber auch Einschnitte beim Programm bedeuten würden. Auch für das heurige Jahr war zwischenzeitlich von einem Minus in Millionenhöhe die Rede, bevor mit dem skizzierten Sparpaket nun eine ausgeglichene Bilanz erreicht werden dürfte.

Neuregelung der ORF-Finanzierung gefordert

Der ORF-Chef erachtet nun die kommenden Wochen und Monate als "richtungsweisend, in welcher Form der ORF seine mediale Leistung für die Österreicherinnen und Österreicher in Zukunft erbringen kann". Denn der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die sogenannte Streaminglücke - das Streamen von ORF-Programm ohne dafür Programmentgelt zu entrichten - als verfassungswidrig erkannt. Eine Neuregelung der ORF-Finanzierung muss bis Ende 2023 erfolgen. Die derzeitige GIS-Gebühr könnte auf weitere Geräte wie Laptops erweitert, eine Haushaltsabgabe eingeführt oder der ORF aus dem Bundesbudget finanziert werden. Der Gesetzgeber hat sich diesbezüglich noch nicht festgelegt.

Weißmann drängt auf eine Lösung bis Ende März 2023, um die Umstellungsmaßnahmen auch zeitgerecht implementieren zu können. Bisherige Gespräche mit Stakeholdern wie Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) deuten für Weißmann darauf hin, dass der "enge Zeitrahmen" erkannt wird.

650 Millionen Euro aus Programmentgelten

"Entscheidend für den Leistungsumfang ist aber natürlich auch die Höhe einer künftigen Finanzierung", schrieb Weißmann an die 35 Stiftungsrätinnen und -räte. Derzeit erhält der ORF rund 650 Millionen Euro aus Programmentgelten. In Zukunft wolle man weiterhin als "Kitt" der Gesellschaft "unverzichtbare Aufgaben für Österreich" erfüllen, so der ORF-Chef. Er verwies nicht nur auf den ORF als "verlässlicher medialer Begleiter" und dessen Informations- Orientierungsfunktion, sondern etwa auch auf dessen Funktion als Partner und Wirtschaftsmotor. Rund 120 Millionen Euro investiere der ORF jährlich in Kunst und Kultur, sei zudem größter Auftraggeber der österreichischen Film- und TV-Wirtschaft, zeige Premium- und Randsport, fungiere als "zentraler Motor" für den heimischen Werbemarkt und leiste mit jährlich rund 170 Millionen Euro für die Landesstudios und regionale Berichterstattung einen "wichtigen Beitrag zur Stärkung des Föderalismus und nationalen Zusammenhalts".

(APA)

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