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Einblicke

Tilla Durieux: Die Muse vieler Maler

Tilla Durieux als Circe, dieses Bild von Franz von Stuck ist bis heute das bekannteste von ihr.
Tilla Durieux als Circe, dieses Bild von Franz von Stuck ist bis heute das bekannteste von ihr.(c) Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie/Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland, Foto: bpk/Nationalgalerie, SMB, Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland/Jörg P. Anders
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Einblicke. Wie die Schauspielerin zahlreiche namhafte bildende Künstler inspirierte, zeigt eine Ausstellung im Leopold Museum. Eine andere präsentiert die Stilvielfalt, die zum Credo des „Hagenbunds“ wurde.

Auguste Renoir, Lovis Corinth, Max Oppenheimer, Emil Orlik, Franz von Stuck, Oskar Kokoschka: Ein großer Name nach dem anderen fällt, wenn man sich ansieht, für wen die Schauspielerin Tilla Durieux aller Modell saß. Sie war nicht nur eine bedeutende Mimin ihrer Zeit – vor allem der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts –, sondern darüber hinaus Inspirationsquelle für zahlreiche Maler, Grafiker und Bildhauer.
Somit kommt es nicht von ungefähr, dass das Leopold Museum eine Schau zu Durieux ausrichtet. „Nachdem so viele berühmte Künstler ihr Konterfei eingefangen haben, gehört die Ausstellung klar in ein Kunstmuseum. Nach dem Rundgang wird niemand mehr fragen, ob diese in einem Theatermuseum nicht besser aufgehoben wäre“, stellt Direktor Hans-Peter Wipplinger klar. Mit Hilfe der umfangreichen Schau wolle man der Faszination auf den Grund gehen, die Durieux auf ihre Zeitgenossen ausübte – und gleichzeitig schlaglichtartig von einem besonderen Leben erzählen.

Tilla Durieux spielte an den wichtigen Häusern Europas, ob unter dem berühmten Regisseur Max Reinhardt in Berlin oder unter Erwin Piscator, ob am Staatstheater, dem Lessingtheater oder am Münchner Hoftheater. Doch nicht nur vor dem Zweiten Weltkrieg war sie bedeutend. Nach ihrer Rückkehr aus der Emigration wurde sie zu einer Grande Dame des deutschen Schauspiels, bis zu ihrem Tod 1971. Jedenfalls war sie zeitlebens eine schillernde Persönlichkeit – was auch auf die großen Vertreter der bildenden Kunst ihrer Zeit Auswirkungen hatte: „Selten wurde jemand über einen Zeitraum von rund 70 Jahren so häufig dargestellt“, erklärt die Kuratorin der Ausstellung, Daniela Gregori. Sie hat für das Leopold Museum 233 Werke, darunter 14 Gemälde, 81 Arbeiten auf Papier und 84 Fotos dieser Ottilie Helene Angela Godeffroy, die in Wien geboren wurde, zusammengetragen.

Gleich in ihrer ersten bedeutenden Theaterrolle, der „Salome“ in der Inszenierung von Max Reinhardt in Berlin, wird Tilla Durieux eingangs gezeigt. Eigentlich war sie als Herodias besetzt, doch die Darstellerin der Salome, Gertrud Eysoldt, wurde krank. Durieux sprang ein und wurde über Nacht zum Star. Oft sind die von ihr angefertigten Porträts solche in Theaterrollen, wenn Durieux etwa auch als Potifars Weib abgebildet wurde – aber bei Weitem nicht nur. In der Folge malte Lovis Corinth sie als spanische Tänzerin, Ernst Barlach fertigte zahlreiche Skizzen von der Mimin beim Rollenstudium an. „Ihm gerät ihr Gesicht immer wieder in seine Werke hinein“, wie Gregori es ausdrückt. Die Skulpturen von Barlach stehen auch für den Wunsch der Ausstellungsmacher, Tilla Durieux in verschiedensten Medien zu zeigen, selbst in Porzellan und Bronze ist sie verewigt.

Darüber hinaus wird offensichtlich, dass sie sich gerne als Dame von Welt inszenierte, vor allem auf den ausgestellten Fotografien. Gerne gab sie mal die unerschrockene Pilotin, mal die flotte Automobilbesitzerin oder die Modeikone. „Die Durieux war auch ein Role Model für moderne Frauen“, sagt Gregori. „Und sie versuchte zu kontrollieren, welche Fotos von ihr an die Presse gingen.“

Tilla Durieux wurde unter anderem von Auguste Renoir gemalt, den Anstoß dazu gab ihr Mann Paul Cassirer.
Tilla Durieux wurde unter anderem von Auguste Renoir gemalt, den Anstoß dazu gab ihr Mann Paul Cassirer.(c) The Metropolitan Museum of Art, Bequest of Stephen C. Clark, 1960, Foto: The Metropolitan Museum of Art, New York, Bequest of Stephen C. Clark, 1960

„Wie eine weiße Maori"

Wer Fotos und Gemälde von ihr sieht, erkennt rasch, dass Tilla Durieux keineswegs eine Schönheit war. Dass die Porträts so zahlreich sind, liegt daher – daraus macht man im Leopold Museum keinen Hehl – nicht nur an ihrer Aura, sondern auch an ihrer Ehe mit Paul Cassirer. Cassirer, der gut in der Kunstszene vernetzt war, vergab eine Vielzahl an Porträtaufträgen. „Teils führten die Künstler dies auch mit Widerwillen durch“, erzählt Kuratorin Daniela Gregori. In einem Porträt, das Max Oppenheimer von Durieux schuf, erkenne man diesen beidseitigen Widerwillen. Gleichzeitig lasse sich beobachten: „Dass Cassirer so viele Werke in Auftrag gab, war wiederum auch ein Ansporn für andere Künstler, solche herzustellen.“

Die Tatsache, dass Tilla Durieux oft gar nicht zufrieden mit dem war, was die Künstler von ihr anfertigten, machte es nicht einfacher. Dies trifft sogar auf die Porträts zu, die Franz von Stuck von ihr als Circe herstellte. Wegen der Kommerzialisierung, die Stuck damit betrieb, hat man diese zwar heutzutage vor dem geistigen Auge, wenn man an Durieux denkt. „Sie sagte aber, ihr Geschmack sei es nicht“, erzählt Gregori. Und prompt ließ sie von ihrem Freund August Gaul eine weitere Circe anfertigen – auf diesem Werk sieht man sie nackt auf einem Schwein sitzen. Auch damit, wie Oskar Kokoschka sie porträtierte, war sie unzufrieden: „Heute hat mich Kokoschka gemalt. Furchtbar. Ich sehe aus wie eine weiße ­Maori“, soll Durieux nach ihrer Sitzung bei dem Expressionisten notiert haben.

Wie andererseits jemand mit ihrem Gesicht umging, der sie liebte, zeigt beispielsweise ein Werk von ihrem ersten Mann, Eugen Spiro, der Maler und Grafiker war. Wie er ihr Porträt in Anlehnung an das, was er sich von Klimt und bei „Ver Sacrum“ abgeschaut hatte, verwirklichte, steht am Anfang der Schau. Nach der Trennung tauschte er das Bild übrigens gegen ein Klavier, wie Gregori erzählt, das ihn wohl an das Klavierspiel Tillas erinnerte.

Unwilliger Renoir

Bei all den vielen Porträts gibt es doch eines, das Tilla Durieux besonders gemocht haben soll: Jenes von Auguste Renoir, das kurz vor dem Ersten Weltkrieg entstand, als der große Maler schon stark von Arthritis befallen war. „Der Pinsel musste ihm an die Hand gebunden werden, auch war Renoir eigentlich gar nicht mehr willig, aber Cassirer brachte ihn doch dazu, das Porträt zu vollenden.“ Wenig darauf sollte sich Max Oppenheimer in einem Porträt, das er kurz vor seiner Emigration malte, auf dieses Bild von Renoir beziehen. „Auch er nimmt diesen Star der damaligen Zeit noch in sein Portfolio auf, bevor er außer Landes geht“, beschreibt Gregori.

Selbst wenn nun im Leopold Museum die bildende Kunst im Vordergrund steht, werden als Referenz an die große Mimin auch Fotos auf langen Stoffbahnen gezeigt, die von der Decke hängen – und an das Theaterumfeld gemahnen, in dem die Durieux vorrangig tätig war. Auch wird auf ihr schwieriges Schicksal eingegangen, so ist ihr Pass zu sehen, der die Flucht in die USA ermöglichen sollte – und eine Lebendmaske aus der Zeit, als Paul Cassirer ihr drohte, sich zu erschießen, falls sie nicht auf die Scheidung verzichtete und schließlich an den Folgen eines Selbstmordversuches verstarb. Von einer ganz anderen Seite des glamourösen Stars zeugen Puppen, die sie in ihrem Exil in Zagreb nähte und für deren Kleider sie eigene alte Roben wiederverwertete. Und auch der Tilla-Durieux-Schmuck, der seit 1967 alle zehn Jahre an bedeutende Schauspielerinnen weitergegeben wird, ist zu sehen – und ist nur eine Komponente von vielen, die dazu beitragen, dass der Rundgang durch die Ausstellung die Aura der großen Schauspielerin spüren lässt. Gleichzeitig wird er zu einer kleinen kunstgeschichtlichen Reise durch verschiedenste Stile von Historismus bis zur Neuen Sachlichkeit.

Die Gruppenausstellungen in der Zedlitzhalle waren Höhepunkt der Tätigkeit, hier ein Plakat von Alfred Keller.
Die Gruppenausstellungen in der Zedlitzhalle waren Höhepunkt der Tätigkeit, hier ein Plakat von Alfred Keller. (c) Privatsammlung Salzburg, Foto: Privatsammlung Salzburg ]

Hagenbund

Mit Kunst einer ähnlichen Periode befasst sich auch die zweite Ausstellung, die derzeit im Leopold Museum gezeigt wird: „Hagenbund“ stellt eine Künstlergruppe vor, die von der Zeit um die Jahrhundertwende bis 1938 in Wien als dritte wichtige Gruppierung neben Secession und Künstlerhaus bestand. Gerade eben, weil der Hagenbund lange im Schatten dieser beiden berühmten Zusammenschlüsse stand, möchte man ihn in der von Hans-Peter Wipplinger, Dominik Papst und Stefan Üner kuratierten Schau aus selbigem herausholen. Anhand von fast 100 Gemälden, 14 Skulpturen, 15 grafischen Arbeiten, 12 Plakaten und 45 Archivalia ermöglicht man eine „Reise durch viele Ismen vom Impressionismus bis zum Expressionismus hin zur Neuen Sachlichkeit“, beschreibt Wipplinger. Stilpluralismus war im Hagenbund Programm.

Die Vielfalt trat an Stelle eines Manifests. Die verschiedensten künstlerischen Strömungen, die damals en vogue waren, fanden Eingang in die Arbeiten jener Künstler, die im Stammsitz der Vereinigung, der Zedlitzhalle im ersten Bezirk, präsentiert wurden. Ob ein zarter Regenbogen über der Ruine Dürnstein von Emilie Mediz-Pelikan im Stil des Impressionismus oder sozialkritische Kunst von Carry Hauser, ob Futuristisches von Georg Jung oder Abstraktes von Fritz Schwarz-Waldegg. Auch die Realitätsflucht in Bildern aus Varietés oder aus dem Prater, Rückgriffe auf den Klassizismus oder Altmeisterliches finden sich hier. Das Credo der Künstlervereinigung war eben größtmögliche Offenheit – und so leuchtet ein, dass Musil sie einst „die radikalste Gruppe“ nannte. Just diese Aufgeschlossenheit machte es möglich, dass sowohl Nachwuchstalente, die besonders progressiv arbeiteten, als auch zahlreiche Frauen in den Ausstellungen des Hagenbunds Präsentationsmöglichkeiten fanden.

Auf einen Blick

Leopold Museum

„Tilla Durieux“, 14.10.‒27.02.2023

„Hagenbund“, 16.09.‒06.02.2023

täglich außer Di.: 10‒18 Uhr

www.leopoldmuseum.org


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