Virtual Reality

Mittels VR direkt ins Herz

In den Health Labs der IMC FH Krems können Studenten 2023 auch erste haptische Erfahrungen im virtuellen Raum machen.
In den Health Labs der IMC FH Krems können Studenten 2023 auch erste haptische Erfahrungen im virtuellen Raum machen.IMC Krems
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Massenpaniken und Krankenhausabläufe simulieren oder Brandschutzübungen durchführen – das ermöglichen virtuelle Studienräume dank ausgeklügelter didaktischer Konzepte.

Ein frei schwebendes schlagendes Herz betrachten, Konfliktgespräche am Schalter erproben oder im virtuellen Lernraum einen Probebühnenaufbau simulieren. Was im realen Leben nicht möglich oder mit hohen Kosten verbunden ist, kann in virtuellen Studienräumen erprobt werden. Der Begriff „virtuell“ kann dabei in zwei Dimensionen gedacht werden. Im digitalen Klassenraum lernen Studierende durch interaktive Tools wie Zoom, elektronische Whiteboards und Breakout-Sessions im zweidimensionalen Raum, etwa zu Hause oder in Schulräumlichkeiten. Virtual Reality geht einen Schritt weiter: Man setzt sich eine VR-Brille auf und betritt einen dreidimensionalen Raum. Das schafft neue Möglichkeiten, mit dem Lernstoff zu interagieren, die Lehre mit digitalen Formaten zu erweitern oder gar – Stichwort Metaverse – Bildung lediglich im digitalen Raum stattfinden zu lassen.

Theatertechnik mit VR lernen

Das Potenzial von Virtual Reality für die Lehre ist groß. Es lohnt ein Blick nach Deutschland. „Die optimale Weise, sich etwas anzueignen, ist, im Raum zu lernen und das Wissen gleich mit einer praktischen Erfahrung zu verknüpfen“, erklärt Franziska Ritter, Szenografin und Beauftragte für Digitalität und Neue Technologien der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft. Gemeinsam mit Pablo Dornhege, Professor für Transmediale Gestaltung an der Berliner Hochschule für Technik (BHT), initiierte Ritter das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Im/material Theatre Spaces”, um immersive Technologien ans Theater zu bringen.

Teil des Projektes war ein Seminar, in dem Studierende der Theater- und Veranstaltungstechnik der BHT digitale Trainingseinheiten in Virtual Reality entwickelten. Die Prototypen reichen von einem virtuellen Kettenzug über einen Studioraum zur Mikrofonierung von Musikinstrumenten hin zur Simulation einer Bühnensituation mit einer Zugstange, an der Krafteinflüsse und mechanische Belastungen getestet werden können. „Bestimmte Lernprozesse, die in einer realen Arbeitsumgebung mit hohem technischem, personellem oder zeitlichem Aufwand verbunden wären, können mit VR relativ unkompliziert erprobt werden. Gleichzeitig ermöglicht die Technologie spielerische Herangehensweisen und fördert eine neue Art der Fehlerkultur. Ich kann zum Beispiel problemlos feuertechnische Brandschutzübungen durchführen oder Fluchtweganalysen mit Massenpaniken simulieren – das wäre im realen Leben so nicht erprobbar“, erklärt Dornhege.

Für die Entwicklung der Prototypen und in Zusammenarbeit mit den Studierenden war besonders das Zusammenspiel von Didaktik und Technik wichtig; also Lernkonzepte in VR zu entwickeln, die auch pädagogisch sinnvoll aufgebaut sind. Es sei eine Herausforderung, virtuelle Laborräume an die Universitäten zu bringen: „Das ist ein langer und ressourcenintensiver Prozess. Virtuelle Lernräume sind aufwendig in der Programmierung und Gestaltung, und es braucht viel fachliche Expertise. Aber der Mehrwert liegt auf der Hand, und umso wichtiger ist es, dass wir jetzt verstärkt in diese Zukunftsthemen investieren“, sagt Ritter.

Ausbildung im Metaverse

Dieses Potential von Virtual Reality hat auch Taylor Freeman erkannt. Er ist der Co-Founder von Axon Park, einem virtuellen Campus im Metaverse. Dieser kann zu jeder Zeit, von jedem Ort aus über verschiedene Geräte, wie dem Smartphone, Computer oder eine VR-Brille, betreten werden. In der Demoversion kann beispielsweise angehendes Krankenpflegepersonal Aus- und Weiterbildungen in einer 3-D-Simulation absolvieren. Eine erste Version von Axon Park soll im kommenden Jahr auf den Markt kommen.

EKG an Roboterpuppe

Wie hört sich eine Lungenembolie an? Wie sieht ein Herzinfarkt von innen aus? Was für das Metaverse geplant ist, wird an der IMC FH Krems schon seit einigen Jahren praktiziert: In den Health Labs können Studierende an Roboterpuppen EKGs anlegen oder sich mit VR-Brille direkt in eine Herzkammer stellen, um Vorgänge oder Krankheiten von innen zu betrachten. Diese virtuellen Labs in Krems seien europaweit unter den Top drei, freut sich Markus Golla, Studiengangsleiter der Gesundheits- und Krankenpflege. „Wir stecken viel Zeit in die Entwicklung, um didaktische Konzepte in VR umzusetzen.“ Dafür arbeite man eng mit den Programmierern aus dem Haus der Digitalisierung in Krems zusammen. „Wenn ich eine Idee habe, kann diese gleich im virtuellen Raum realisiert und mit Studierenden getestet werden.“

Mittlerweile habe man ein ganzes Krankenhaus im digitalen Raum nachgebaut, dessen Stationen von mehreren Studierenden gleichzeitig betreten werden können. „Mit den VR-Brillen kann ich beispielsweise auch Schauspieler in den Raum schicken, die den Patienten auf der Station spielen. Das erlaubt uns, ganze Abläufe in einem Krankenhaus in Virtual Reality zu simulieren“, erklärt Golla. 2023 werden erstmals auch haptische Erfahrungen möglich: Studierende sollen dann mittels besonderer Handschuhe die Möglichkeit bekommen, Dinge zu berühren und zu spüren. Außerdem teste man gerade VR-Ganzkörperanzüge, die mithilfe von haptischem Feedback den gesamten Körper in die virtuelle Welt transportieren.

Lexikon

Virtual Reality bezeichnet eine durch spezielle Hard- und Software erzeugte künstliche Wirklichkeit. Der Kern der modernen VR-Hardware ist die VR-Brille mit zwei hochauflösenden Displays zur Darstellung künstlich erzeugter Bilder. Eine damit gekoppelte Sensorik erfasst außerdem Lage und Position des Kopfes. Metaverse beschreibt einen kollektiven 3-D-Raum, oder auch ein „expansives Netzwerk aus persistenten, in Echtzeit gerenderten 3-D-Welten und Simulationen“ (Matthew Bell).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2022)

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