Der ökonomische Blick

Pensionssystem: Auch die Betriebe sind gefragt

Pensionisten im Wiener Prater
Pensionisten im Wiener PraterDie Presse (Clemens Fabry)
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Alle Jahre wieder beschäftigen uns im Herbst die Pensionen. Ein Ziel sollte sein, dass Ältere länger auf dem Arbeitsmarkt gehalten werden - eine nachhaltigere Maßnahme als Pensionskürzungen.

Jeden Herbst ist das Thema „Pensionen“ ein Fixstarter im politischen und medialen Diskurs: Sowohl im Rahmen der Budgetrede und des Budgetbeschlusses als auch im Rahmen der Novembersitzung der Alterssicherungskommission steht die Aufwandsentwicklung bei den Pensionen und allen voran vor allem der Steueranteil an der Pensionsfinanzierung im Mittelpunkt.

Der Bundesbeitrag in der gesetzlichen Pensionsversicherung (laut Bundesvoranschlag für 2023 10,8 Milliarden Euro) gemeinsam mit den Pensionen an Beamt:innen (10,5 Milliarden Euro) binden einerseits viele Budgetmittel. Andererseits sichern diese Mittel die Pensionsfinanzierung und damit den Lebensunterhalt von einem knappen Viertel der Bevölkerung. Wir sehen hier einen klassischen Zielkonflikt in der Verwendung der Steuermittel. In der gesetzlichen Pensionsversicherung deckt die steuerfinanzierte Ausfallshaftung rund 18 Prozent der Aufwendungen mit einer Spannweite von dreizehn Prozent bei unselbständig Erwerbstätigen, vierzig Prozent bei Gewerbetreibenden und siebzig Prozent in der Landwirtschaft.

Das Auseinanderfallen von Pensionsversicherungsbeitragseinnahmen und Ausgaben braucht einen Blick hinter die Globalgröße der Budgetmittel im Alterssicherungssystem, um effektive Verbesserungsmaßnahmen entwickeln zu können.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Die Pensionszahl steigt, da jährlich mehr Neupensionen dazukommen, als es Abgänge wegen Todes gibt. Die Zahl der Pensionen wächst auch, weil die geburtenstarken Jahrgänge ins Pensionsalter kommen. Unter ihnen haben mehr Frauen einen Eigenpensionsanspruch, der aus der gestiegenen Arbeitsmarktpartizipation der Frauen resultiert. Tatsächlich reduzierte sich in den letzten zehn Jahren der Anteil der über 65-jährigen Frauen ohne Eigenpensionsanspruch von fünfzehn Prozent auf neun Prozent. Dennoch war auch 2021 die Armutsgefährdungsquote der alleinlebenden Frauen über 65 mit 23 Prozent deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von elf Prozent.

Neben diesem Mengen-Aspekt sind die Pensionsausgaben vom „Preis-Aspekt“ bestimmt: Die rund 75.000 wegfallenden Direktpensionen im Jahr 2021 hatten eine durchschnittliche Höhe von 1.000 Euro, die rund 108.000 Neupensionszuerkennungen hingegen von 1.650 Euro. Auch bei konstanten Pensionszahlen würden damit die Aufwendungen ansteigen.

Das umlagefinanzierte Alterssicherungssystem ist maßgeblich von den Arbeitsmarktentwicklungen abhängig. Und auch 2021 nahm, wie in den Jahren davor, die Zahl der aktiv Erwerbstätigen mit +94.000 schwächer zu als die Direktpensionszugänge mit +108.000. Die Gegenüberstellung von Beschäftigungs- und Pensionszahlen zeigen ein genaueres Bild als die bloße Gegenüberstellung der Bevölkerung im Erwerbs- und Pensionsalter. Weiters ist der „Preis-Aspekt“, also die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Lohnsumme gegenüber den Altersaufwendungen, zentral. Eine parallele Entwicklung beider Größen war in den vergangenen Jahrzehnten nicht gegeben: Durch die Zunahme der Teilzeitjobs, das geringe Lohnwachstum bei Beschäftigten, die häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind, den hohen Anteil von Niedriglohnjobs etc. entwickelte sich die Lohnsumme schwächer als die Aufwendungen der Pensionsversicherungsträger. Auf der anderen Seite sind das im europäischen Vergleich hohe Pensionsniveau bei langer und kontinuierlicher Beschäftigung, aber auch die zahlreichen der Pensionsversicherung übertragenen Aufgaben (von der Armutsvermeidung, Gesundheitsaufgaben bis hin Rentenleistungen für Heimopfer) für das Aufwandvolumen verantwortlich. Die Pensionsaufwendungen wachsen stärker als die Lohnsumme.

Hohe Arbeitslosigkeit bei Älteren

Ein Hebel mit kurzfristiger Wirkung auf die Pensionsfinanzierung und damit auch der öffentlichen Haushalte ist der Arbeitsmarkt: Trotz enormer Zunahme der Beschäftigungsquoten waren 2021 rund 330.000 Menschen arbeitslos. Besonders hoch ist die Arbeitslosigkeit bei den Älteren mit knapp 60.000 Menschen bzw. ein Fünftel aller Arbeitslosen. Damit verbunden zeigt sich, dass die Hälfte der Pensionsantritte der Frauen nicht unmittelbar aus einer aktiven Beschäftigung erfolgt. Das Auseinanderfallen von Erwerbsaustritts- und Pensionsantrittsalter vor dem Hintergrund der schrittweisen Anhebung des Frauenpensionsalters ab 2024 dämpft den ausgabenreduzierenden Effekt der Reform. Eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit und einer weiteren Zunahme der Beschäftigungsquoten Älterer führt zu einer verbesserten Einkommenslage der Erwerbstätigen, zu einer Entlastung der Arbeitslosenversicherung und zu zusätzlichen Einnahmen in den Sozialversicherungen wie auch der Steuern. Diese Mehrfachdividende der Hebung dieses Arbeitskräftepotentials ist nachhaltiger als einfache Pensionskürzungen und fördert darüber hinaus die betriebliche wie gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung.

Die Realisierung der Dividenden braucht Betriebe, die ihre Belegschaft bis zum Regelpensionsalter halten, sich um ältere Arbeitskräfte bemühen, diesen entsprechende Arbeitsplätze bieten und auf die vorhandenen Unterstützungen wie die demografieberatung.at zurückgreifen. Passende Arbeitsplätze und wertschätzende Arbeitsbedingungen werden Erwerbstätige länger am Arbeitsmarkt halten und so einen Beitrag zur Nachhaltigkeit der Pensionen liefern.

(c) © eric kruegl

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