Schwerhörig

Wer schlecht hört, versteckt das nicht mehr

„Ich möchte, dass die Menschen mein Hörgerät sehen“, sagt Kerstin Thoma.
„Ich möchte, dass die Menschen mein Hörgerät sehen“, sagt Kerstin Thoma.(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Jede fünfte Person in Österreich ist schwerhörig, Tendenz steigend. Hinzu kommt: Die Betroffenen werden immer jünger. Doch egal, wie alt sie sind, die Mehrheit schämt sich für ihr Leiden – oder schenkt ihm viel zu spät Beachtung. Dabei erleichtern Hörgeräte nicht nur den Alltag, sie schützen auch das Gehirn und halten Depressionen und Vereinsamung fern.

Jemanden zu hören und jemanden zu verstehen, das sind zwei verschiedene Zustände. Wie selten sie zusammentreffen, merken Pascal Elbé und Kerstin Thoma täglich. Er ist 55, lebt in Frankreich und hat eben den Film „Schmetterlinge im Ohr“ veröffentlicht. Darin mimt er sich selbst: einen Mann, missverstanden und verdrießlich geworden, aus falschem Stolz und Scham. Thoma ist 32, wohnt in Wien, arbeitet im PR-Bereich. Auch sie hat sich zurückgezogen, teilt ihre Sorgen erst seit Kurzem, jedoch spricht sie nicht von einer Leinwand herab, sondern mit einer Therapeutin. Es geht um Hilflosigkeit, Panik und die Ignoranz der anderen. Alles nur, weil Elbé und Thoma je einen Knopf im Ohr tragen.

„Gut möglich, dass es Warnzeichen gab, aber im Rückblick sieht man ja immer besser“, sagt Thoma heute. Fest steht: Inmitten einer stressreichen Zeit erlitt sie vor fünf Jahren einen Hörsturz. „Ich fiel aus allen Wolken“, erinnert sie sich. Von einer Sekunde auf die andere durchfuhr ein gellender Ton ihre Ohren. Ihr Umfeld begann sich zu drehen, Tränen schossen ihr in die Augen. „Die Ärzte sagten, das hört wieder auf, sie könnten mir nicht helfen, ich solle mich nicht so anstellen“, sagt sie.

Spiegel der Psyche. Doch der Vorfall wiederholte sich, und die Wienerin stürzte nicht nur zu Boden, sondern auch in ein mentales Loch. „Ich höre nur noch sehr dumpf, tiefe Töne nehme ich nicht mehr wahr“, sagt Thoma. „Links ist das ein Dauerzustand, rechts flexibel.“ Ähnlich einer Zugbrücke mache sich ihr rechtes Ohr zu, wenn sie sich zu viel abverlangt, die Emotionen zu stark werden. „Meine Ohren spiegeln meine Psyche wider“, sagt sie. „Bin ich am Limit, beginnen sie zu rauschen und lassen nichts mehr durch.“

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