Virtuelles Probetragen

Das Shoppen der Zukunft

Das virtuelle Anprobieren löst ein paar Probleme, aber nicht alle, denn ob der Schuh drückt, weiß man erst, wenn man ihn wirklich trägt.
Das virtuelle Anprobieren löst ein paar Probleme, aber nicht alle, denn ob der Schuh drückt, weiß man erst, wenn man ihn wirklich trägt.(c) Imago
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Ein Kleid probieren, ohne es in Händen zu halten? Mit Snapchat wird das Handy zur Umkleidekabine, bequem von der Couch aus – mit ein paar kleinen Schwächen.

Der Herbst ist eine großartige Zeit: Die Blätter verfärben sich, und die Natur zeigt noch einmal ihr schönstes Farbenspiel. Eingepackt in wohlig-warme Kleidung lässt es sich gut draußen aushalten. Was hingegen kaum auszuhalten ist, ist das Einkaufengehen. Also natürlich nicht der klassische Wocheneinkauf, sondern das Shoppen, wie es so schön auf Neudeutsch heißt. Bepackt mit potenziell neuen Besitztümern, kämpft man sich dem Hitzekollaps nahe in die Umkleidekabinen. Dort angekommen, schält man sich aus seinem Zwiebellook, um dann die Kleidungsstücke anzuprobieren. Ist die Auswahl getroffen, geht das Spiel wieder von vorn los. Doch das viel gelobte bequeme Shoppen von der Couch aus hat ebenfalls Nachteile. Man bestellt mehrere Größen, Farben und Ausführungen, weil man eben nicht sicher sein kann, dass es passt. Oder eben doch?

Technologische Innovationen haben uns in der Vergangenheit bereits viel versprochen. Gehalten haben sie nur wenig. Doch der neueste Vorstoß von Snapchat hat tatsächlich das Potenzial, die Offline- und die Onlinewelt auf angenehme Weise miteinander zu verknüpfen. Die App, die mit ihren lustigen Filtern und Fotos mit kurzer Halbwertszeit bekannt wurde, fokussiert sich dank Augmented Reality auf ein völlig neues Nutzererlebnis.

Virtuelles Probetragen. Dabei werden mithilfe der im Smartphone verbauten Kameras virtuelle Inhalte bzw. Filter über das reale Abbild gelegt. Ein einfaches Beispiel: Ein Kleid gefällt besonders gut, aber beim Schnitt, der Länge und der Passform ist man sich unsicher. Das Model, das darin abfotografiert wurde, ist auch keine große Hilfe für die eigene Vorstellungskraft. Also öffnet man die App, stellt sich gerade hin, wählt den Filter – und schon sieht man sich selbst in besagtem Kleid auf dem Bildschirm. Gefällt der Anblick, kann über den Filter das gewünschte Stück gekauft werden.

Zukunftsmusik? Ganz im Gegenteil. Große Marken wie Dior, Prada, Adidas und Nike bauen bereits darauf. Bei letztgenannten ist man sogar schon einen Schritt weiter. Wer eine neue Sporthose virtuell Probe trägt, bekommt gleichzeitig Tipps für die richtige Kniebeuge. Und nun gesellt sich mit Zalandos „Try on“ auch noch einer der größten Online-Versandhändler für Mode, Schuhe und Kosmetik in Deutschland dazu.

Damit diese virtuellen Projektionen auf den eigenen Körper möglich sind, waren drei technische Weiterentwicklungen in der Snapchat-Kamera-App nötig. Die Linse verfügt über die Funktionen „World Object Scale“, „Body Mesh Enhancement“ und „Ray Tracing“. Die erste Funktion sorgt dafür, dass das Objekt in seiner tatsächlichen Größe zu sehen ist. Mit „Body Mesh Enhancement“ passt sich das Objekt an den Körper an. Zu guter Letzt werden noch Licht- und Schatteneffekte hinzugefügt, um das Objekt echt aussehen zu lassen.

Ob der Schuh drückt? Noch ist das Angebot bei Zalando auf die Eigenmarken (Even & Odd, Zign und Your Turn) beschränkt. Um sich die Kleidung bei Zalando virtuell überzuwerfen, reicht der Upload eines Ganzkörperfotos. Keine Sorge, die Kleidung wird automatisch retuschiert. Ob der Schuh aber wirklich bequem ist, kann die neueste technische Errungenschaft nicht klären. Aber eines steht fest: Viele Rücksendungen und Fehlkäufe können damit reduziert werden. Das ist nicht nur gut für das Konto, sondern auch für die Umwelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2022)

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