Volksbegehren

„Österreich zuerst“: Haiders Werk und Kickls Beitrag

Eine Zäsur für Land und Partei: Der frühere FPÖ-Chef Jörg Haider 1993 vor einem „Österreich zuerst“-Plakat, neben ihm sitzen Herbert Scheibner (l.) und Walter Meischberger.
Eine Zäsur für Land und Partei: Der frühere FPÖ-Chef Jörg Haider 1993 vor einem „Österreich zuerst“-Plakat, neben ihm sitzen Herbert Scheibner (l.) und Walter Meischberger.(c) Kelly Schöbitz/picturedesk.com
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Die FPÖ will „Österreich zuerst“ zum 30. Jubiläum „auf der Höhe der Zeit“ neu auflegen – sprich: auf Asyl ummodeln und zuspitzen. Denn schockieren würde das Volksbegehren von 1993 heute kaum mehr, etliches wurde überhaupt umgesetzt.

Es waren nicht mehr als zwölf kurze Forderungen, stichwortartig auf einer knappen Seite zusammengefasst, und ihre Begründungen lesen sich, als kämen sie aus einer zeitgenössischen Parlamentsdebatte. „Der Nationalrat hat aufgrund der von den Regierungsparteien betriebenen Ausländerpolitik bislang weitgehend versagt“, steht da etwa geschrieben, es ist von „Sozialleistungsmissbrauch“ und „illegalen Migranten“ die Rede; daher sei es Zeit, befanden mehrere FPÖ-Abgeordnete im Auftrag ihres Parteichefs, das Land zur Migrationspolitik zu befragen.

Geschrieben wurde das im Herbst 1992. Wenig später, am 25. Jänner 1993, lag „Österreich zuerst“ zur Unterschrift auf – und bei diesem Volksbegehren von Jörg Haiders FPÖ von einer Zäsur zu sprechen wäre eine glatte Untertreibung: Der blaue Rechtsruck – er markiert eine Wende, die Rechtspopulisten bis hin zu Donald Trump mit dem Haider-Plagiat „America first“ inspirierte – hatte nicht nur die Abspaltung des Liberalen Forums von der FPÖ zur Folge, sondern auch die bis heute größte Demonstration der Zweiten Republik. Nach Kritik vom Bundespräsidenten bis zur Kirche formierten sich an die 300.000 Menschen auf dem Wiener Heldenplatz, mitinszeniert von André Heller, mit Kerzen in den Händen zum „Lichtermeer“.

Dreißig Jahre später sitzt Herbert Kickl beim Interview in einem Studio des parteieigenen YouTube-Senders, einmal mehr spricht er über eine „Völkerwanderungswelle“, beklagt „illegale Migranten“ und Sozialleistungen für sie. Dann formuliert er eine neue Idee: „Wenn das so weitergeht“, sagt der FPÖ-Chef und frühere Haider-Mann, „überlege ich mir die Durchführung eines Volksbegehrens ,Österreich zuerst, Nummer zwei‘“. Das Ganze müsste man „auf die Höhe der Zeit bringen“, so Kickl, also „die Asylproblematik aufnehmen“. Insidern zufolge gilt das Volksbegehren als fix, die Blauen wollen damit ihren Markenkern – die Migrationshärte – gegen ÖVP und Teile der SPÖ verteidigen, auch FPÖ-Landeschefs bekräftigten die Kickl-Idee bereits. Stattfinden dürfte es im Frühjahr – denn der Advent sei, das sieht auch Kickl selbst so, zwischen „Licht ins Dunkel“ und dergleichen nicht die Zeit für eine solche Übung. Die Details, erklärt man in der FPÖ, werden noch ausgearbeitet – gesetzt dürften aber die blauen Evergreens wie „Asylstopp“, Zurückweisung von Migranten an der Grenze, eine symbolische Verfassungsbestimmung oder „Ausreisezentren“ sein, die Basis dafür ist Insidern zufolge ein 20-Punkte-Katalog, den Tirols FPÖ unlängst vorgelegt hat. Gerechnet wird auch mit Direktübernahmen von 1993. Nur: Für einen Aufschrei würde eine Kopie des Haider-Werks nicht mehr langen – etliches davon ist mittlerweile zum politischen Standard geworden, gleich mehrere der zwölf Forderungen, gegen die einst Hunderttausende demonstrierten, wurden gar erfüllt. Ein Überblick.

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