Kritik

„Die Dämonen“ im Burgtheater: Da ringen verzweifelte Russen

Eine Minirevolution, Jahrzehnte vor der bolschewistischen – und mittendrin Sarah Viktoria Frick und Nicholas Ofczarek als Paar, das es nicht geben sollte.
Eine Minirevolution, Jahrzehnte vor der bolschewistischen – und mittendrin Sarah Viktoria Frick und Nicholas Ofczarek als Paar, das es nicht geben sollte. (c) APA/BURGTHEATER/MATTHIAS HORN
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Dostojewskis Roman „Die Dämonen“ vier Stunden lang im Burgtheater: Ideenschlachten verlorener Menschen, grandios gespielt, mit einer durch viel Witz gemilderten Wucht.

An so einem Abend weiß man wieder, warum man das Theater braucht: allein ein solches Ensemble versammelt auf einer Bühne zu haben, von Maria Happel bis zu Jan Bülow, Birgit Minichmayr bis Markus Hering und Itan Tiray, von Dagna Litzenberger-Vinet und Oliver Nägele bis zu Nicholas Ofczarek und so fort – wo doch schon eine Happel allein ein Ereignis wäre.

Es braucht auch besondere Ermöglicher, einen Regisseur wie hier den Niederländer Johan Simons – und es braucht den besonderen Text: Dostojewski, theater- und gegenwartsfähig gemacht durch Sebastian Huber auf Basis der Übersetzung der legendären Swetlana Geier. Dazu in einem düstere Großbürgerlichkeit evozierenden, schlichten Bühnenbild leicht „orientalisch“ wirkende Kostüme und eine Schattenspiel-Ästhetik, die unser Verhältnis zu Dostojewskis Figuren spiegelt, sie unmerklich ins „Asiatisch-Exotische“ und Historische entrückt. Außerdem ein tiefer Bühnenhintergrund, wo Figuren, die gerade nichts zu reden haben, dennoch für zusätzliches Leben sorgen.

Apokalypse im späten Zarenreich. 1873 veröffentlichte Dostojewski „Die Dämonen“, nach „Schuld und Sühne“ und „Der Idiot“, aber vor den „Brüdern Karamasow“. Der Roman bietet ein Panorama der Glaubenskämpfe in der Intelligentsia des späten Zarenreichs – zwischen Nihilisten, revolutionären Sozialisten, europäisch orientierten Liberalen, Gottesfürchtigen, Slawophilen ... Eingebettet sind die hier gewälzten Diskurse in eine Familiengeschichte: Die reiche Witwe Warwara will schnell ihre Ziehtochter Dascha verheiraten, weil diese der lukrativen Ehe ihres Sohnes Nikolaj Stawrogin mit der reichen Lisa im Wege steht. In einem ersten Highlight der Aufführung erklärt Happel als Warwara der jungen, in Nikolaj verliebten Dascha zwischen etlichen „Du tust es aus freiem Entschluss!“, warum sie den älteren, erfolglosen Schriftsteller Stepan heiraten muss.

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